Mach’s dir selbst: Immer mehr Künstler organisieren sich jenseits etablierter Strukturen. Die StZ stellt Künstlerkollektive aus der Region vor. Den Auftakt macht das Netzwerk Outer Rim, das am Freitag und Samstag im Stuttgarter Club Zollamt das Urban-Art-Festival „Kunst im Club“ veranstaltet.

Digital Desk: Jan Georg Plavec (jgp)

Stuttgart - Auf die Frage, warum sie sich die Organisation eines Urban-Art-Festivals in den Kopf gesetzt hat, sagt Lena Moskwa: „Es muss ja irgendeinen Sinn haben, dass ich so viele Kreative kenne.“ So ein Netzwerk ließe sich auch für manch kreative Anregung, künstlerische Zusammenarbeit oder einfach einen entsprechenden Lifestyle nutzen – zumal, wenn man wie Lena Moskwa Kunsttherapeutin und nebenbei Künstlerin ist. Aber es soll eben auch ein Festival sein. Und voilà, am 3. und 4. August ist es zum zweiten Mal so weit.

 

Kunst im Club nennt sich das Urban-Art-Festival, es ist das bislang einzige dieser Art in der Landeshauptstadt und versammelt regionale Kunsttalente zwischen Graffiti, Fotokunst, Installation, Aktionskunst und Bildhauerei. Die Liste ist nicht abschließend, denn für Urban Art gibt es keine feste Definition. „Unkommerziell“ sei diese Art von Kunst, sagt Stefan Bubeck, „frei, direkt und ungefiltert. Wenn man es sieht, weiß man, ob es Urban Art ist“.

Abseits von Establishment, Hochkultur und Kunstförderung

Bubeck ist einer von Lena Moskwas Mitstreitern. Der harte Kern, der sich um die Organisation von „Kunst im Club“ kümmert. Outer Rim hat sich die Gruppe genannt, Vorstadt. Und die schlägt jetzt mit alternativer Kunst zurück in einer Stadt, deren allgemein Wahrnehmung sonst vornehmlich „Hochkultur“ kennt, Establishment und den öffentlich geförderten Kunstbetrieb in den großen Häusern.

Urban Art ist auch Lifestyle. Lebenskunst vielleicht, vor allem aber ein großes Mash-Up von Kunst, Design, Musik und dem richtigen Rahmen für das jeweilige Event. Es geht nicht darum, die Kunst in einen weißen Würfel zu stecken. Im Gegenteil: diese Ausdrucksform lebt geradezu davon, im richtigen Kontext stattzufinden.

Der richtige Ort ist gefunden

Im Club „Zollamt“ glauben die Organisatoren von Kunst im Club diesen Ort gefunden zu haben. Er liegt, passend zum Namen des Kollektivs, im Outer Rim, in der Vorstadt, eben auf dem ehemaligen Güterbahnhof in Bad Cannstatt. Das Areal ist für die einen bloß Gestrüpp und Brache. Für die anderen ist es eine Oase der Subkultur. Auch die Künstlerkolonie von den Waggons beim Nordbahnhof will hierherziehen.

Alternativ ist aber nicht nur die Kunst, die Outer Rim zeigen will. Auch die Art, wie „Kunst im Club“ zustande kommt, ist ungewöhnlich. Man könnte den Arbeitsmodus der Gruppe auch als „Cloudworking“ bezeichnen, angelehnt an die Internet-Cloud, die nichts vergisst und aus der wie von Geisterhand Produktives regnet – oder in diesem Fall ein Event. „Alles hängt am guten Willen der Leute, hier ist alles Ehrenamt“, sagt Lena Moskwa. Das heißt: Wer bei „Kunst im Club“ ausstellen will, muss seinen Teil zu der Veranstaltung beitragen. Er muss Flyer designen, seine Netzwerke aktivieren, Deko basteln oder an der Bar helfen. Hierarchien und Tabus gibt es nicht. Provisionen kassieren die Veranstalter nicht, wenn Werke verkauft werden. „Das alles soll positive Energie erzeugen“, sagt Stefan Bubeck.

Eine regionale Plattform für Urban Art?

Bubeck will nicht als blauäugig missverstanden werden. Er und die anderen Organisatoren haben durchaus eine Ahnung davon, wie der Kunstbetrieb und der Kunstmarkt funktionieren. Natürlich wolle man nicht draufzahlen, sagt er; im Gegenteil: Outer Rim will sich, wenn es gut läuft, als regionale Plattform für Urban Art etablieren. Schließlich gibt es so etwas in der Region Stuttgart gar nicht; vielleicht auch deshalb, weil ein echter Markt für diese Art von Kunst nicht existiert. Aber dann macht man es eben ehrenamtlich.

Eintritt kostet die Veranstaltung trotzdem, acht Euro für beide Tage – Aftershow inklusive. Es gehe aber nicht darum, Gewinn zu erzielen. „Die Einnahmen werden alle in die nächsten Veranstaltungen gesteckt“, verspricht Stefan Bubeck. Auch eine Vereinsgründung sei später denkbar. Vor allem sei Geld aber gar nicht die zentrale Kategorie: „Die meisten der Künstler leben gar nicht von ihrer Kunst“, sagt der Co-Organisator Bubeck. Wenn die Kunst mehr Hobby denn Broterwerb ist, so die Aussage dahinter, dann macht man auch gern bei der Organisation entsprechender Events mit. „Das Nicht-Kommerzielle erzeugt eine ganz andere Atmosphäre als Galerien, Verkaufsausstellungen oder Kunstmessen“, findet Lena Moskwa. Auch das kommt heraus, wenn statt Vollprofis Enthusiasten am Werk sind.