Der erste KI-generierte Hit schaffte es im August sogar in die deutschen Charts: Doch kann künstliche Intelligenz menschliche Musiker wirklich ersetzen? Ein Stuttgarter Musikproduzent und eine KI-Expertin geben Antworten.

Sie wird gerade hunderttausendfach auf der Musikstreamingplattform Spotify gehört: Margot Huber. Ihre Songs wirken wie aus den 60er Jahren und ihre braunen Haare trägt die Frau in der zu dieser Zeit klassischen Flip-Frisur. Dazu bunte Kleider mit Retro-Muster. Auf den Coverbildern ihrer Songs lacht sie in die Kamera, mal schaut sie ernst. Ihre Lieder klingen nach alten Schlagerhits. Ist der Schlager also wieder bei der Generation Z angekommen?

 

Ganz so ist es nicht. Denn bei genauem Hinhören, wird man schnell von den anzüglichen Inhalten überrascht. Margot Huber traut sich was, könnte man meinen. Dabei kommen diese Worte gar nicht von ihr. Denn Margot Huber gibt es gar nicht. Sie und ihre Songs sind das Werk von künstlicher Intelligenz (KI).

KI-Songs überfluten das Internet

Die Schöpfer von Margot Huber sind nicht die Einzigen, die auf Musikstreamingplattformen wie Spotify für Aufsehen sorgen. Spätestens seit dem KI-Hit „Verknallt in einen Talahon“ des Produzenten „Butterbro“, der als erster KI-Song in die deutschen Charts eingezogen ist, versuchen viele diesem Erfolg nachzueifern.

Besonders der Kontrast zwischen dem unschuldigen Klang der 60er Jahre und den provokanten Texten scheint bei den Hörern der Streamingdienste zu fruchten. In der Spotify-Playlist „Viral50-Deutschland“ stammen aktuell fünf der Top-10-Songs von KI und zählen somit zu dem am meisten geteilten Liedern im August.

Was heißt das für die Musikbranche?

Für viele Musikerinnen und Musiker könnten die aufkommenden KI-Songs ein Dorn im Auge sein. Der Stuttgarter Produzent Fabian Gauder ist der Meinung, dass KI-generierte Werke die von Menschen geschaffene Musik tatsächlich in einigen Bereichen ersetzen könne. „Zum Beispiel Hintergrundmusik, LoFi-Musik und auch manche Filmmusik, die nur eine untermalende Funktion hat“, vermutet er. Kreativen, die sich in diesem Gebiet spezialisiert haben, sei die Verunsicherung und Sorge anzumerken.

Besonders der wirtschaftliche Aspekt könnte dazu beitragen, dass sogenannte „funktionale Musik“ zu einem großen Teil von KI generiert werden könne, so Gauder. Dennoch sieht er die kreative Musikszene nicht in Gefahr. „Popmusik lebt von Überraschungsmomenten“, erklärt er. „Das Unperfekte ist oft erfolgreicher als das Glattpolierte.“

Heike Adel-Vu, Professorin für künstliche Intelligenz für audiovisuelle Medien an der Hochschule der Medien in Stuttgart, teilt diese Meinung. KI sei ein Werkzeug, das die Arbeit erleichtern könne, aber niemals den Menschen ersetzen werde. „Aktuell gibt es in den generierten Texten oder Audiomaterialien sogenannte Artefakte, also Stellen, die erkennbar künstlich sind“, erklärt sie.

„Ich glaube aber schon, dass die Artefakte immer weniger und unscheinbarer werden und dass es immer stärker auf die Vorerfahrung der Zuhörer ankommen wird.“ Das könne im Musikbereich heißen, dass etwa ein geübter Musiker die Artefakte eher hören könnte, als jemand der mit der Musikrichtung oder Sprache nicht so vertraut sei, so die KI-Expertin.

Der Einsatz von künstlicher Intelligenz in der Musikbranche bietet auch Chancen. „Im Studio nutzen wir KI schon seit vielen Jahren, um Ideen schnell umzusetzen“, berichtet Gauder. Auch Adel-Vu sieht Vorteile: „KI ermöglicht es vielen Menschen kreativ zu werden und Musik zu schaffen, die sonst vielleicht nicht das Geld oder die technischen Voraussetzungen dazu gehabt hätten.“

Die Frage nach dem Urheberrecht

Eine noch ungeklärte Frage ist, wie es mit dem Urheberrecht von KI-Songs aussieht. Laut dem Urheberrechtsgesetz ist der Schöpfer eines Werkes der Urheber. Doch wie verhält es sich bei KI-generierten Songs? „Die Ausgaben der KI an sich sind nicht urheberrechtlich geschützt, da es beim Urheberrecht um Werke von Menschen geht“, erklärt Adel-Vu. Allerdings stammt die Songidee grundsätzlich von einem Menschen, der auch den sogenannten Prompt, also den Textbefehl, eingibt.

„Damit wird das Urheberrecht vermutlich von Fall zu Fall entschieden werden müssen“, so die Professorin. Eine Idee, um das Ganze etwas gerechter zu gestalten, hat der Stuttgarter Musikproduzent Gauder: „Meiner Meinung nach wäre es fair, wenn die Urheber der Musik, die verwendet wurde, um die KI-Systeme zu trainieren, auch am Copyright der neu generierten Musik partizipieren würden.“ Gleichzeitig weiß er: „Das wird jedoch in der Praxis kaum zu realisieren sein.“

EU-AI-Ac gilt seit diesem Jahr

Seit August 2024 ist der EU-AI-Act in Kraft, das erste Gesetz zur staatlichen Regulierung von künstlicher Intelligenz. Es enthält Regulierungen und Bedingungen zur Verwendung von KI in der Europäischen Union. Die Transparenzvorschriften verlangen von Anbietern und Betreibern von KI-Systemen, dass sie sicherstellen, dass Inhalte, die von KI erstellt oder bearbeitet wurden, wie Audios, Bilder, Videos oder Texte, klar gekennzeichnet sind.

Margot Huber wird vermutlich nicht der einzige bekannte KI-Star bleiben. Doch ob künstliche Musiker tatsächlich auch Identifikationsfiguren sein können, ist eine andere Frage.