Künstliche Intelligenz und Kryptowährung – das sind zwei faszinierende Technologien mit allerdings unschönen Nebenwirkungen: Sie verbrauchen unheimlich viel Energie, analysiert Rainer Pörtner.

Politik/Baden-Württemberg: Rainer Pörtner (pö)

Die Aufräumarbeiten dauerten elf Jahre. In mühseliger Kleinstarbeit werkelten dreitausend Fachkräfte daran, die verklumpten Teile des Atomreaktors zu zerlegen, zu zerschneiden und zu entsorgen. Die Brennstäbe des Reaktors hatten sich am Tag der Katastrophe auf 2000 Grad Celsius erhitzt und waren zu einem dicken Haufen verschmolzen. Mehr als eine Milliarde US-Dollar kostete die Schadensbeseitigung – das war teurer als der ursprüngliche Bau dieses Meilers im Atomkraftwerk „Three Mile Island“ nahe Harrisburg im US-Bundesstaat Pennsylvania.

 

„Three Mile Island“ – der Unfall in diesem AKW im Jahr 1979 gehört neben Tschernobyl und Fukushima zu den drei schlimmsten Katastrophen der zivilen Atomkraft-Nutzung. Er ist ein Symbol geworden für die Risiken dieser Technologie wie auch für den politischen Widerstand gegen den Bau solcher Kraftwerke. Deshalb lässt die Nachricht aufhorchen, dass der zweite, damals unversehrt gebliebene Reaktorblock in Harrisburg wieder in Betrieb genommen wird. Er war vor fünf Jahren stillgelegt worden, weil er als wirtschaftlich unrentabel galt.

Microsoft erweckt „Three Mile Island“ zu neuem Leben

Zu neuem Leben erweckt wird „Three Mile Island“ durch Microsoft. Der Tech-Konzern hat mit dem Kraftwerkbetreiber einen Stromabnahmevertrag über zwanzig Jahre geschlossen, weil er eine langfristig sichere Energieversorgung für seine bestehenden und geplanten Rechenzentren in der Umgebung sucht.

Microsoft ist damit Trendsetter einer unheilvollen Verknüpfung: Neue Technologien wie Blockchain und Künstliche Intelligenz lassen gerade den Bedarf nach Rechnerleistungen explodieren. Diese Rechner verbrauchen Unmengen Strom, die aktuell nicht durch erneuerbare Energien zu erbringen sind.

Der ungestillte Energiehunger schließlich führt zu einer Renaissance der Atomenergie – von ihr versprechen sich die Unternehmen jene stabile 24-Stunden-Versorgung mit Strom, auf die sie angewiesen sind.

Millionen stromfressender Computer

Der erste Treiber dieser Entwicklung war Bitcoin. Die Kryptowährung, betrieben mittels der Blockchain-Technologie, stützt sich auf Millionen stromfressender Computer. Im Jahr 2022 verbrauchte das globale Bitcoin-Netzwerk 161 Terawattstunden (TWh) Strom. Das ist mehr als ein entwickeltes Industrieland wie Schweden im selben Zeitraum verbraucht hat.

Mit der Künstlichen Intelligenz potenziert sich das Problem. Auch die KI ist ein Stromfresser allererster Güte, weil sie unvorstellbar große Datenmengen verarbeitet und versucht, diese sinnvoll zu verknüpfen. Ein Vergleich zeigt die Dimension: Wenn man in dem KI-getriebenen Textgenerator ChatGPT eine Anfrage stellt, dann wird für die Antwort gut zehnmal mehr Energie verbraucht als bei einer Google-Abfrage.

Tech-Konzerne mit grünem Anstrich

Die Internationale Energieagentur (IEA) schätzt, dass sich der Energieverbrauch der Künstlichen Intelligenz von 460 Terawattstunden im Jahr 2022 auf 1000 im Jahr 2026 verdoppeln dürfte. Das entspricht dem Stromverbrauch von Japan – einer führenden Industrienation dieser Welt.

Die amerikanischen Hightech-Konzerne von Google über Microsoft und Open AI bis Meta geben sich gerne einen grünen Anstrich. Den vielfachen Beteuerungen, sie würden ihren Energiebedarf am liebsten umweltschonend decken, kommen sie jedoch nicht nach. Dafür ist der Bedarf einfach zu groß. Den leichtesten Ausweg bietet ihnen die Atomenergie, die sie kurzerhand als „grün“, weil CO2-neutral, deklarieren.

Die Einwände gegen Atomstrom sind alle noch gültig

Amazon hat ein mit Atomstrom betriebenes Rechenzentrum in Pennsylvania gekauft. Oracle will drei SMR-Kraftwerke bauen. Diese „Small Modular Reactors“ werden gerade entwickelt und sollen kleine Atommeiler sein, die billiger und effizienter arbeiten als die AKWs alten Typs. Open AI investiert in das Start-Up „Oklo“, das solche SMR-Kraftwerke entwickelt. Der Pay-Pal-Gründer Peter Thiel und andere Investoren stecken zudem Geld in das Nuklear-Start-Up „Helion“, das bis 2028 ein Fusionskraftwerk erschaffen will. Diese Liste ließe sich problemlos verlängern. In der Atomwirtschaft macht sich wieder Goldgräberstimmung breit.

Angesichts der Verlockungen der KI-Technologie, der Aussicht auf Geschäftserfolge und gigantische Renditen schieben die Firmen alle Bedenken gegen die Atomenergie beiseite. Dabei sind die Einwände gegen Atomstrom alle noch gültig: er ist gesellschaftlich teuer, er ist gefährlich und noch immer kann keiner sagen, wie der strahlende Abfall über Tausende Jahre sicher entsorgt werden kann. Der Atomunfall von „Three Mile Island“ wird schlicht verdrängt.