Der Künzelsauer Handelskonzern Würth kann sich über eine lebhafte Nachfrage nach seinen Artikeln freuen. Doch am Horizont ziehen graue Wolken auf.

Künzelsau - Trotz Coronapandemie und sich verschärfenden Lieferengpässen bei zahlreichen Baumaterialien ist die Würth-Gruppe weiterhin auf einem steilen Wachstumspfad. Der Weltmarktführer für Befestigungs- und Montagetechnik verzeichnete im ersten Halbjahr eine Umsatzsteigerung um fast 21 Prozent im Vergleich zum Vorjahr auf 8,4 Milliarden Euro. „Um einen solchen Anstieg in der Geschichte von Würth zu finden, müsste man wahrscheinlich in die Sechzigerjahre zurückgehen“, sagt Robert Friedmann, Sprecher der Konzernführung der Gruppe am Dienstag.

 

Allein im Monat April sei der Umsatz gegenüber dem Vorjahr um 50 Prozent gestiegen, so Friedmann, was allerdings auch darauf zurückzuführen sei, dass die konjunkturelle Lage ein Jahr zuvor schwach gewesen sei. So hätten die Erlöse von Würth in Südeuropa im ersten Halbjahr um extreme 35 Prozent zugelegt – nicht zuletzt wegen eines deutlichen Rückgangs im Vorjahreszeitraum, der vor allem aus den harten Lockdown-Maßnahmen in Frankreich und Spanien resultiert habe.

Pandemie lässt Kosten sinken

Unter anderem dank des Umsatzwachstums hat das Betriebsergebnis in den ersten sechs Monaten um nahezu 87 Prozent auf 520 Millionen Euro zugelegt. Dazu beigetragen hat auch, dass die Kosten der Gruppe wegen der Coronapandemie signifikant gesunken sind: Reisen, Konferenzen und Messen fielen fast flächendeckend aus. Schon 2020 hat Würth so rund 100 Millionen Euro gespart. Mit einem ähnlichen Effekt rechnet der Künzelsauer Konzern auch für 2021.

Insgesamt sieht der Würth-Manager drei Faktoren, die zu dem massiven Umsatzwachstum geführt haben: Neben dem Konjunkturaufschwung nennt er Nachholeffekte einzelner Branchen wie etwa der Elektronikbranche, aber auch einen „Klopapiereffekt“. So, wie in der ersten Coronaphase 2020 viele Haushalte den Bestand von Klopapier erhöht hätten, nähmen nun viele Handwerker und Unternehmen mehr Produkte ans Lager, von denen es heiße, sie würden knapp. Würth profitiere davon, mit vier Millionen Kunden weltweit „von keinem einzelnen Kunden, von keiner einzelne Branche und auch nicht von einem einzelnen Marktsegment“ abhängig zu sein. Die Gruppe verfügt mittlerweile über 2400 Niederlassungen weltweit – das sind sieben Prozent mehr als im Vorjahr – und macht Dreiviertel seines Umsatzes in Europa.

Die Preise steigen

Die Knappheit etlicher Produkte lässt derzeit die Preise steigen, was den Würth-Umsatz zusätzlich treibt – die Höhe dieses Effekts kann Würth angesichts der Vielzahl der Produkte im Portfolio und unterschiedlicher Zeitpunkte der Preiserhöhung allerdings nicht beziffern. Für das Gesamtjahr rechnet Friedmann allerdings mit einem „deutlichen Effekt“.

Seit Ende 2020 steige weltweit die Nachfrage nach Fertig- und Halbfertig-Produkten. Dies führe zu Produktionsengpässen, Lieferverzögerungen und damit zu steigenden Herstellungs- und Beschaffungspreisen. Diese Situation potenziere sich durch Probleme innerhalb der Lieferketten. Beispielsweise trage der Corona-Ausbruch im Hafen von Yantian in Südchina, dem viertgrößten der Welt, zu weiteren Lieferverzögerungen bei. „Es sind nicht genügend Rohstoffe auf dem Markt verfügbar. Das stellt uns beispielsweise bei Befestigungselementen, Holzverbindern, Montageschienen und Beschlägen vor große Herausforderungen. Weitere Preiserhöhungen sind unvermeidbar“, sagt Friedmann.

Schicksalsfrage Lieferfähigkeit

Die Lieferfähigkeit werde in den nächsten Monaten über Erfolg oder Misserfolg entscheiden, so der Würth-Chef. Durch die enorme Überhitzung der Märkte sei es schwer einzuschätzen, wie lange es gelingen werde, die Lieferketten aufrecht zu erhalten. Unter anderem wegen dieser Unsicherheit schätzt die Gruppe das Gesamtjahr vergleichsweise zurückhaltend ein. Am Schluss werde das Umsatzwachstum im Vergleich zum Vorjahr wohl aber schon bei elf oder zwölf Prozent auf 16 Milliarden Euro liegen, so Friedmann.

Würth mit Sitz in Künzelsau beschäftigt weltweit 81 765 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Das sind 2626 mehr als Ende 2020. 24 971 davon sind in Deutschland beschäftigt.