Das neue Museum des Kunsthändlers Marc-Oliver Boger in Bietigheim-Bissingen versammelt lauter Werke des Kunstfälschers Konrad Kujau – und führt durch eine Gefängnistür.
Bietigheim-Bissingen - Am Sonntag wird in Bietigheim-Bissingen ein etwas anderes Museum eröffnet. An dessen Wänden hängen Bilder von Picasso, van Gogh oder Rubens, eng beieinander und kunsthistorisch auch ein wenig durcheinander. Das Chaos ist beabsichtigt: „Heute Picasso, morgen Rubens, so hat Konrad Kujau auch gemalt“, sagt Marc-Oliver Boger.
Der 41-jährige Kunsthändler aus Bissingen sammelt keine Meisterwerke großer Künstler, sondern Werke von einem der größten Kunstfälscher der jüngeren deutschen Geschichte: Konrad Kujau. Der gebürtige Sachse, der lange auch in Bissingen gelebt hat, wurde vor allem durch die Fälschung der Hitler-Tagebücher bekannt, die das Magazin „Stern“ 1983 als Sensation verkaufte und sich bundesweit blamierte.
Es begann mit Schwarztee für eine Schatzkarte
Bogers persönliche Geschichte mit Konrad Kujau setzt ein paar Jahre später ein. Als kleiner Junge wollte Boger eine Schatzkarte möglichst alt aussehen lassen. „Meine Eltern meinten dann, ich solle doch einfach mal beim Herrn Kujau anrufen, der wohnt ja in der Nähe“, erzählt er. Kujaus Tipp lautete: Schwarztee.
Eine tiefere Faszination für die Werke Kujaus hat der Kunst- und Antiquitätenhändler Boger im Jahr 2002 entdeckt. Seitdem hat er mehr als 1000 „echte Kujaus“ gesammelt. Dazu gehören Kopien, Fälschungen, Karikaturen, aber auch persönliche Gegenstände aus dem Nachlass des 2000 gestorbenen Malers. Etwa seine Staffelei, auf der noch das letzte, unfertige Gemälde steht, das Kujau vor seinem Tod angefangen hatte zu malen: „Dame in grüner Jacke“ von August Macke.
Fälschungen der Nazi-Zeit sind räumlich abgetrennt
Die Idee zum Museum kam Marc-Oliver Boger 2013, zum 30. Jubiläum des Hitler-Tagebücher-Skandals. Nach langer Suche nach einer passenden Immobilie kann er jetzt das 130 Quadratmeter große „Kujau-Kabinett“ an der Bahnhofstraße in Bissingen eröffnen. Die Ausstellung ist in mehrere Bereiche gegliedert. Sie beginnt mit dem Skandal um die Hitler-Tagebücher und führt dann über eine Gefängnistür – laut Boger jene, hinter der der verurteilte Fälscher in Hamburg saß – in einen abgetrennten Raum, der Fälschungen mit Bezug zum Dritten Reich enthält.
Hier sieht der Besucher Ölgemälde mit dem jungen Hitler als Motiv, kann einen Liebesbrief des späteren Diktators lesen oder die Kapitulationserklärung des Dritten Reichs begutachten – allesamt Fälschungen von Kujau. Görings Marschall-Stab ist ebenso zu sehen wie ein Exemplar der berühmten Hitler-Tagebücher. „Ich habe allein drei davon“, sagt Boger. Die skandalauslösende Original-Fälschung gehört immer noch dem „Stern“.
Den Kniff mit der Gefängnistür und dem abgedunkelten Raum dahinter hat sich Boger aus einem bestimmten Grund ausgedacht: „Ich distanziere mich von dieser Zeit.“ Er habe keine Angst, mit den gefälschten Nazi-Devotionalien Nazis anzulocken. „Ich erwarte diese Leute nicht. Die wollen Originale sehen. Sie wären aber auch nicht willkommen“, sagt er.
Sind die Fälschungen auch Original-Fälschungen?
Wer genug Nazi-Fälschungen gesehen hat, tritt durch einen Vorhang zurück ins Licht des Museums. Hier präsentieren sich dem Besucher Kujaus Fälschungen berühmter Meisterwerke der Kunstgeschichte, während gegenüber allerlei gefälschte historische Dokumente zu sehen sind, beispielsweise eine Unterschrift Napoleons, die Gründungsurkunde Stuttgarts oder ein Aufmarschplan Wallensteins.
Ist sich Boger denn sicher, auch garantiert echte Fälschungen von Kujau zu haben? Nachdem Kujau durch den Skandal um die Hitler-Tagebücher international bekannt geworden war, verkaufte er auch „Original-Kujau-Fälschungen“, also von ihm gefälschte Bilder berühmter Maler, jedoch mit seiner eigenen Signatur. Diese wurden bei Sammlern so beliebt, dass andere Maler anfingen, Kujau-Fälschungen zu fälschen. Doch Boger ist sich sicher, nur Kujau-Originale zu haben. Und was, wenn aus Versehen ein echtes Original darunter ist? „Das wäre für mich uninteressant“, sagt er. „Hinter dem Original steckt keine handwerkliche Geschichte.“
Das Museum – sonntags geöffnet
Ausstellung
Marc-Oliver Boger plant wechselnde Ausstellungen in seinem Kabinett. So sollen unterschiedliche Schwerpunkte Konrad Kujaus beleuchtet werden – beispielsweise seine Karikaturen.
Eröffnung
Das Museum liegt nur 700 Meter von Kujaus letztem Wohnort entfernt. Das „Kujau-Kabinett“ öffnet am Sonntag, 10. Dezember, seine Türen. Geöffnet ist die Ausstellung an der Bahnhofstraße 55 in Bissingen von 14 bis 18 Uhr. So soll es künftig jeden Sonntag sein. Führungen können per E-Mail an info@kujau-kabinett.de oder telefonisch unter 0 71 42/ 37 61 41 vereinbart werden.