Vor 70 Jahren hat der französische Autobauer Citroën auf dem Pariser Salon den 2CV vorgestellt. Auch in Deutschland avancierte die „Ente“ zum Kultobjekt und gehörte bald zu Frankreich wie Baguette, Beaujolais und Gauloises.

Stuttgart - Die Fans haben weder die hängenden Sitze gestört noch ein Fahrgefühl, als sei man auf hoher See. Sie schwärmen noch heute von der einmaligen Kurvenlage und dem Cabrio-Luxus des aufrollbaren Vinylverdecks. Auch die ungewöhnliche Revolverschaltung („Stoßen, kippen, ziehen“ ) und die geteilten Klappfenster begeisterten die Anhänger. Ein typischer 2CV-Fahrer pflegte einen alternativen Stil. Ob Hippie, Student oder Atomkraftgegner – mit dem neuen Gefährt sollte auch das neue Lebensgefühl präsentiert werden.

 

Fast 42 Jahre lang baute Citroën den 2CV. Seine Geschichte reicht noch viel weiter zurück. Schon 1934 hatte Citroëns Generaldirektor Pierre-Jules Boulanger seinem Chefkonstrukteur André Lefèbvre den Auftrag erteilt, einen minimalistischen Kleinwagen zu entwickeln: „Entwerfen Sie ein Auto, das Platz für zwei Bauern in Stiefeln und einen Zentner Kartoffeln oder ein Fässchen Wein bietet, mindestens 60 Stundenkilometer schnell ist und dabei nur drei Liter Benzin auf 100 Kilometer verbraucht.“

Außerdem sollte der neue Wagen möglichst preiswert sein, auch von völlig Ungeübten problemlos gesteuert werden können und selbst auf unbefestigten Straßen vorwärtskommen. „Die Federung muss so gut sein, dass ein Korb voller roher Eier eine Fahrt über holprige Feldwege unbeschadet übersteht“, forderte Boulanger, „auf das Aussehen des Autos kommt es überhaupt nicht an.“

Schon 1937 war der erste von 250 Prototypen fertiggestellt

1937 war der erste von 250 Prototypen fertiggestellt. Werksintern wurden sie „toute petite voiture“ (TVP; übersetzt „ganz kleines Auto“) genannt. Um Gewicht zusparen, bestand die Außenhaut aus Aluminium. Zur kargen Ausstattung gehörte nur ein Frontscheinwerfer, keine Winker und nicht einmal ein Anlasser. Dazu meinte Boulanger: „Das Auto ist für Bauern gedacht, die sind alle verheiratet und haben eine Frau, die die Kurbel betätigen kann.“

Um die Autos ungestört testen zu können, errichtete Citroën 1938 eine 2500 Meter lange Versuchsstrecke. Im darauffolgenden Jahr sollte der erste TVP öffentlich präsentiert werden, doch der Ausbruch des Zweiten Weltkriegs verhinderte das. Während der deutschen Besetzung Frankreichs ließ Boulanger einige Prototypen zerlegen und verstecken, die meisten wurden allerdings vernichtet, nur eine Handvoll Exemplare sind erhalten geblieben.

Ein Journalist bezeichnete das Modell als „hässliches Entlein“

1948 enthüllte Citroën in Paris ein vollständig überarbeitetes Modell. Der Designer Flaminio Bertoni, der 1955 für den Autobauer auch die DS-Reihe entwerfen sollte, hatte dem 2CV ein gefälligeres Aussehen verpasst. Dennoch verglichen Kritiker die optische Erscheinung mit „einer eingedrückten Wellblechgarage auf Rädern“. Nach der Vorstellung des Autos lästerte die satirische, französische Wochenzeitung „Le Canard enchaîné“: „Eine Konservendose, Modell freies Campen für vier Sardinen.“ Ein niederländischer Journalist bezeichnete das Fahrzeug nach dem gleichnamigen Märchen von Hans Christian Andersen als „lelijke eendje“ („hässliches Entlein“) und begründete so den deutschen Spitznamen „Ente“.

Im Juni 1949 begann die Serienfertigung des 2CV – die zwei PS („deux chevaux vapeur“) stehen dabei für die günstige Steuerklasse, tatsächlich hatte schon das erste Modell einen luftgekühlten Zweizylinder-Viertakt-Boxermotor mit neun Pferdestärken. Dazu einen Vorderradantrieb und einen Hubraum von 375 Kubikzentimetern, die Spitzengeschwindigkeit betrug 60 Stundenkilometer. Ein großer Federweg ohne Stabilisatoren sorgte für hohe Geländegängigkeit, ließ bei Kurvenfahrten aber die Seitenneigung beinahe gefährlich anmuten.

Mit Louis de Funès sorgte die Ente schon 1964 im Kino für Aufsehen

Nach dem Krieg waren Rohstoffe knapp und so konnten anfangs lediglich vier Autos am Tag hergestellt werden, was zu Wartezeiten von fünf bis sechs Jahren führte. Mit den ersten Modellen wurden von September 1949 an vorrangig Landwirte und Gewerbetreibende beliefert. Bereits im Frühjahr 1951 brachte Citroën einen Lieferwagen auf 2CV-Basis mit zwei Flügeltüren am Heck auf den Markt. Diese „Kasten-Ente“ („Fourgonnette“ genannt) entwickelte sich äußerst erfolgreich. Zu den Großkunden gehörte die französische Post, die spanische Guardia Civil und die holländische Polizei. 1959 begann der offizielle Verkauf in Westdeutschland. Die Standardausführung des 2CV kostete 3650 D-Mark und war damit etwas günstiger als ein VW-Käfer (3810 D-Mark).

Mit dem Komiker Louis de Funès als „Gendarm von Saint Tropez“ sorgte die Ente schon 1964 im Kino für Aufsehen. 1981 erhielt sie im James Bond-Streifen „In tödlicher Mission“ noch größere Aufmerksamkeit. Das knallgelbe Vehikel wurde mit 65 PS und verstärkter Karosserie aufgerüstet, damit es eine wilde Verfolgungsjagd überstehen konnte – wenn auch nicht ganz unbeschadet. Vom darauf folgenden Sondermodell „007“ wurden etwa 700 Stück gebaut.

Im Spätsommer 1967 erschien die etwas besser ausgestattete und stärkere Dyane, die technisch auf dem 2CV basierte und ihn eigentlich ablösen sollte. Daraus wurde aber nichts, die Produktion endete nach 16 Jahren. Die zuletzt produzierten Enten-Modelle verfügten über 29 PS und schafften Tempo 115. Am 27. Juli 1990 verließ der letzte 2CV – ein graues Modell „Charleston“ – die Montagehallen im portugiesischen Mangualde. Er lief mit einem Trauermarsch der Werkskapelle vom Band.

Der Kult um die berühmteste Ente seit Donald Duck lebt weiter

Als die Produktion eingestellt wurde, war der 2CV technisch stark veraltet. Der Wagen entsprach weder im Verbrauch, der Geräuschentwicklung, beim Abgasverhalten und der Unfallsicherheit dem aktuellen Stand der Technik. Insgesamt wurden 5 114 966 Exemplare produziert, allein in Deutschland hatten im Laufe der Jahre rund 350 000 Enten einen Besitzer gefunden. Offiziell sind in der Bundesrepublik nur noch knapp 12 800 (Stand 1.Januar 2017) 2CV zugelassen. Die tatsächliche Zahl dürfte jedoch höher liegen, da viele Wagen als EU-Import die Typschlüsselnummer „0000“ bekamen und diese vom Kraftfahrt-Bundesamt nicht als Enten erkannt und zugeordnet werden.

Der Kult um die berühmteste Ente seit Donald Duck lebt unter Freunden der Oldtimer weiter. Erst Anfang August kamen beim 8. Internationalen Deutschland-Treffen der „Freunde des Citroën 2CV“ auf der Trabrennbahn in Dinslaken rund 800 liebevoll gepflegte Exemplare in allen Farben und Versionen aus 13 Ländern zusammen. „Die Ente hat immer noch eine riesige Fangemeinde“, sagt Stephan Lützenkirchen, Kommunikationsdirektor bei Citroën. Und das wird sich wohl auch sobald nicht ändern.