Seit November befinden sich die Kinos im ganzen Land im Lockdown. Durch eine Crowdfunding-Kampagne sollen jetzt die Kinos in Stuttgart und der Region gerettet werden. Wir haben mit Simon Erasmus von den Stuttgarter Arthaus Filmtheatern über die Kampagne „Kino soll leben“ gesprochen.

Stuttgart –  „The virus strikes back pt. 2 – One of the worst movies ever made“ steht seit Monaten in großen Lettern auf der Anzeigetafel des "Delphi Arthaus Kinos" in der Tübinger Straße geschrieben. Ein Bild, bezeichnend für eine ganze Branche, die sich seit fast einem Jahr immer wieder im Lockdown befindet. Dort, wo normalerweise die neusten Filme auf der großen Leinwand gezeigt werden, herrscht Stillstand. Die Kinos in Stuttgart und der Region sind, wie die gesamte Kulturbranche, mitunter die größten Verlierer der Corona-Krise. Und während renommierte Stuttgarter Kinos, wie der "UFA-Palast" oder zuletzt das "Metropol", bereits ihr Aus verkündet haben, kämpfen andere Kinobetreiber im Kessel und darüber hinaus ums Überleben. Wir haben uns mit Simon Erasmus, der in Stuttgart das "Delphi Arthaus Kino" und das "Atelier am Bollwerk" betreibt, über die Kinos in der Krise und die Crowdfunding-Kampagne "Kino soll leben" unterhalten. 

 

Kinos in der Krise

Dass die Stuttgarter trotz Pandemie gerne ins Kino gehen, hat das Ausnahmejahr 2020 gezeigt. Nach dem ersten Lockdown im Frühjahr 2020 durften die Kinos unter strengen Hygienevorschriften wiedereröffnen. „Trotz Maskenpflicht und Abstandsregelungen im Kinosaal, die nur eine Auslastung von 20 bis 25 Prozent zugelassen haben, war bei uns fast jede Vorstellung bis November voll“, berichtet Erasmus. Selbst die Maskenpflicht im Saal, die wenige Wochen vor dem zweiten Lockdown in Kraft getreten ist, habe die Besucher nicht abgeschreckt. Und auch wenn eine so geringe Auslastung finanziell kaum rentabel sei, war es Erasmus wichtig, dass sowohl das "Delphi" in der Tübinger Straße als auch das "Atelier am Bollwerk" zwischen den beiden Lockdowns geöffnet blieb. „Wir wollten unserem Publikum weiterhin das Kinovergnügen bieten und auf keinen Fall von der Bildfläche verschwinden", so der Stuttgarter Kinobetreiber. 

Totgesagte leben länger

Das Kino wurde schon oft totgesagt. Früher waren es die Videotheken, heute stellen Streaminganbieter wie Netflix und Co. eine große Konkurrenz dar. Eine Pandemie ist dann logischerweise alles andere als förderlich. Doch Erasmus glaubt fest daran, dass das Kino trotz Streaming und Corona auch in Stuttgart weiterhin eine Zukunft hat. „Wir bekommen von vielen unserer Kunden mit, dass Netflix kein Ersatz für einen Kinobesuch ist. Klar, es ist eine schöne Ergänzung, aber das Kino ist ein gesellschaftliches Ereignis, man teilt Emotionen mit anderen Leuten – dieses Erlebnis hat man auf der Couch daheim nicht“, schwärmt der Kinobetreiber. „Natürlich muss man als Kino in der heutigen Zeit kreativ sein, immer wieder neue Ideen haben und das Programm so gestalten, dass man sein Publikum erreicht. Wir hätten zum Beispiel auch Netflix-Produktionen als Preview in unseren Kinos gezeigt“, so Erasmus. "Aktuelle bekomme ich, trotz der riesigen Auswahl auf den Streamingplattformen, auf jeden Fall sehr oft das Feedback, dass die Menschen das Kino extrem vermissen."

Doch nicht jedes Kino hat die Krise bisher so gut überstanden. Nachdem der "UFA-Palast" bereits im ersten Lockdown sein Ende verkündet hat, hat vor Kurzem auch das beliebte "Metropol" in der Stuttgarter Innenstadt das Handtuch geworfen. „Das ist natürlich ein herber Schlag. Vor allem das Ende des 'Metropols' schmerzt sehr, schließlich sind wir Kinobetreiber in Stuttgart an einer vielfältigen Kinolandschaft interessiert“, berichtet Erasmus.

Crowdfunding für eine vielfältige Kinolandschaft

Damit die Vielfalt an Kinos in und um Stuttgart erhalten bleibt, haben sich Kinobetreiber aus der ganzen Region für die Crowdfunding-Kampagne „Kino soll leben“ zusammengeschlossen. Sie alle betreiben unabhängige und teils familiengeführte Kinos, die der Krise trotzen wollen. Doch die finanziellen Reserven sind aufgebraucht und die staatlichen Hilfen kommen nur langsam an, während sämtliche Fixkosten weiterhin anfallen. „Aus diesem Grund haben wir uns zusammengeschlossen, um eine breitere Öffentlichkeit zu erreichen und auf unsere Situation aufmerksam zu machen“, so Erasmus.

Neben dem "Delphi" und dem "Atelier am Bollwerk" sind das "Caligari" und "Luna" in Ludwigsburg, das "Capitol" in Kornwestheim, das "Corso" in Vaihingen, die "Innenstadtkinos" in Stuttgart-Mitte, die "Kinothek" in Untertürkheim, das "Universum" in Backnang und das "Orfeo" in Fellbach bei der Kampagne mit dabei. Ingesamt bespielen diese Kinos 26 Leinwände. Die Einnahmen aus dem Crowdfunding werden nach Anzahl der Leinwände pro Kino aufgeteilt. Das erste Fundingziel von 26.000 Euro wurde in knapp einer Woche erreicht, wodurch die Kinos mit einer Unterstützung von 1.000 Euro pro Leinwand rechnen konnten. „Von der positiven Resonanz auf unsere Kampagne sind wir alle völlig begeistert“, so Erasmus.

260.000 Euro für die Kinos in der Region 

Damit die Kinos bis zu einem möglichen Re-Opening weiterhin alle Kosten tragen und notwendige Investitionen tätigen können, wurde als nächstes Fundingziel ein Betrag von 260.000 Euro angesetzt, wodurch 10.000 Euro pro Leinwand möglich wären. „Das Crowdfunding wird noch bis Ende März laufen und wir hoffen, dass wir auch unser ambitioniertes zweites Ziel erreichen können“, erklärt Erasmus. Ziel ist es, dass die Kinos mit dieser Hilfe gut durch die Krise kommen und dem Publikum in der Region auch in Zukunft noch erhalten bleiben. "Und wer 1.200 Euro spendet, erhält von uns als Dankeschön eine eigens für die Kampagne gefertigte goldene Popcorn-Skulptur. Damit erhält der- oder diejenige ein Jahr lang in jedem teilnehmenden Kino ein Tüte Popcorn gratis", so Erasmus. Fast besser als jeder Oscar. 

Ihr wollt die Kinos in der Region supporten? Hier geht's zur Crowdfunding-Kampagne "Kino soll leben" >>>