Auf einer Wand prangen die harten Zahlen: 56 Sitzplätze, seit der Erfassung 1995 waren es 1515 Abend- und 1028 Kindertheatervorstellungen, 12 internationale Projektpartner und erst im Jahr 2006 wurde von der Schreibmaschine auf moderne Elektronik umstellt: Zum 45-jährigen Bestehen zeigt eine Ausstellung die Entwicklung des Kulturkabinetts.

Bad Cannstatt - Stolz und etwas nostalgisch, so zeigt sich die Ausstellung, die der Verein Kulturkabinett, vormals „Kommunales Kontakttheater“ (K(k)T) nun in seinen Räumlichkeiten an der Kissinger Straße eröffnet hat. Für die langjährigen Weggefährten bietet sie ein Wiedersehen mit den streitbaren Vordenkern. Allen anderen gewährt sie auch Einblicke in den Wandel der Streitkultur. Schließlich hatte man lange auf das „h“ im Wort „Theater“ verzichtet, um zu zeigen, dass die Dinge durchaus nicht so laufen müssen, wie gewohnt.

 

Auf einer Wand prangen die harten Zahlen: 56 Sitzplätze, seit der Erfassung 1995 waren es 1515 Abend- und 1028 Kindertheatervorstellungen, 12 internationale Projektpartner und erst im Jahr 2006 wurde von der Schreibmaschine auf moderne Elektronik umstellt. Eine andere Zahl, nämlich, dass das Hinterhoftheater nun sein 45-jähriges Bestehen feiert, lässt aber die Alarmglocken schrillen: Wird es eng mit dem nächsten runden Geburtstag, der ja bereits in fünf Jahren anstünde? Die stellvertretende Geschäftsführerin Charlotte Stegmayer verneint lachend: „Wir haben schon den 40. Geburtstag gefeiert und wir werden auch den 50. feiern!“

Die eine oder andere Protestaktion war auch schon dabei

Danach sah es nicht immer aus, das belegen die unzähligen Zeitungsausschnitte, die neben den Fotos einen Großteil der Ausstellung ausmachen. „Stadt lässt das ,kkt‘ sterben” titulierte die Cannstatter Zeitung zum 20-Jährigen. Natürlich ging es um das liebe Geld, aber manch einem Stadtoberen wäre es insgeheim wohl ganz recht gewesen, wenn die Unruhestifter ein und für alle Mal vom Erdboden verschwunden wären.

Für Aufruhr sorgte schon die Auftaktveranstaltung, über die 1972 die Stuttgarter Nachrichten berichteten: „Gegen Mittag am Mittwoch hielten viele Passanten am Schloßplatz ein Flugblatt in der Hand: Bürger wehrt Euch! Heute abend soll der Schloßplatz versteigert werden.“ Der Kuppelsaal des Kunstgebäudes sei danach rappelvoll gewesen: „Oft war nicht auszumachen, wer Schauspieler und wer Zuschauer war.“

In den frühen Jahren sorgten vor allem die Protestaktionen von Geschäftsführerin Hanne Tächl für Aufsehen: Etwa ihr offener Brief, als das Institut Français 1989 den Jahrestag der Revolution mit einem 30-gängigen Menü für „DM 280,- für 2 Personen incl. einer Flasche Champagner“ zugunsten von Terres des Hommes feierte, während in Sichtweite ein Arbeitslosenzentrum und der „Treffpunkt Leben“ vom Abriss bedroht waren. Wunderbar auch eine andere Aktion, als 1993 aus Protest gegen die drohende Schließung der Jugendhäuser während der Haushaltsreden im Stuttgarter Rathaus Schokoladen-Golddukaten flogen: „Die Kripo ermittelt wegen des Verdachts der Körperverletzung“, schließt der Bericht.

Die Ausstellung ist bis zum 31. Juli zu sehen

Das wirft Fragen nach einem Wandel in der Streitkultur auf: Heute gibt man sich gemäßigter, bietet insgesamt sechs Ensembles und Theatergruppen eine Spielstätte und setzt durch Eigenproduktionen Akzente: So pflegt man etwa einen Austausch mit einer pakistanischen Schülertheatergruppe, der beiden Seiten zeigen soll, dass Jugendliche auf der ganze Welt im Grunde sehr ähnliche Träume haben, wie die Geschäftsführerin Kathrin Wegehaupt erläutert. Und ab Herbst soll es eine eigene Jazzreihe im Kulturkabinett geben.

Ist man jetzt weniger subversiv als früher? „Es ist anders: Früher gab es diese eher punktuellen Leuchtturmprojekte, heute arbeiten wir mehr in Bodennähe und erreichen mehr Leute“, ist sich Wegehaupt sicher, setzt aber auch hinzu: „Vielleicht hat sich aber auch einfach die ganze Gesellschaft verändert?“ Wobei, so ein Golddukatenwurf hätte heute durchaus noch Charme, entsprechende Projekte gibt es ja.