Interview: Laut Bürgermeisterin Eisenmann stehen die Sterne fürs Planetarium gut.

Stuttgart - Gute Nachrichten für alle, die gerne in die Sterne sehen: Das Planetarium verbleibt trotz der Bauarbeiten zu Stuttgart 21 im Schlossgarten. Was sich dennoch ändert und wie es um die Zukunft der Sternenwelt bestellt ist, darüber haben wir mit Kulturbürgermeisterin Susanne Eisenmann gesprochen.

 

Die Standortfrage für das Planetarium ist geklärt. Die Sternenwelt verbleibt im Schlossgarten. Weil die Pläne mit dem Mobilitäts-Erlebniszentrum (MEZ) in Bad Cannstatt geplatzt sind, soll das Planetarium künftig mehr Besucher anlocken als bislang. Wie wollen Sie das schaffen, Frau Dr. Eisenmann?

Tatsache ist, dass sich unser Stuttgarter Planetarium einer großen Beliebtheit in der Bevölkerung erfreut und als außerschulischer Lernort von Schulklassen aller Altersstufen stark nachgefragt wird. Diese Tatsache lässt uns auch hoffen, dass etwaige Einflüsse von Baumaßnahmen in der Nähe des Planetariums den Zulauf nur geringfügig beeinträchtigen.

Aber die Besucherzahlen werden sicher zurückgehen, wenn die Bagger für Stuttgart 21 anrollen …

Es wäre naiv zu glauben, dass die Baustelle den Betrieb des Planetariums nicht beeinträchtigt. In welchem Ausmaß das geschieht, können wir gegenwärtig nicht sagen. Sieht man von leichten Schwankungen ab, hat das Planetarium jährlich rund 140.000 Teilnehmer an Sternenvorführungen. Zählt man die Besucherinnen und Besucher von Vorlesungen, Sonderveranstaltungen, Events wie der Langen Nacht der Museen etc. hinzu, kommen jedes Jahr über 220.000 Menschen ins Planetarium. Damit ist es nach Hamburg das erfolgreichste Planetarium in Deutschland.

Das Planetarium - ein Zuschussbetrieb

Dennoch ist das Planetarium ein Zuschussbetrieb. Vom Science Center hatte sich OB Wolfgang Schuster Synergieeffekte versprochen. Wie wollen Sie die Sternenwelt jetzt auf die Gewinnerstraße führen?

Ein wichtiger Schritt wurde schon getan. Möglichen Einschränkungen durch die Baustelle setzen wir eine Attraktivitätssteigerung durch eine modernisierte Projektionstechnik entgegen. Für diese Investition wurden vom Gemeinderat im Dezember 2009 die erforderlichen Investitionsmittel genehmigt. Damit verbindet sich die Erwartung, dass interessante und sehenswerte Vorführungen im Planetarium einem möglichen Besucherschwund durch den Baustellenbetrieb entgegenwirken und sich ausgleichen. Leicht wird das zweifelsohne nicht, aber im Rahmen der Möglichkeiten werden wir alles unternehmen, um das Planetarium als Ort der Kultur und Wissenschaft in gewohnter Form zu betreiben.

Muss die Bahn denn Entschädigungszahlungen bei ausfallenden Vorführungen aufgrund der Bauarbeiten leisten? In welcher Höhe?

Im Planfeststellungsbeschluss ist formuliert, in erster Linie durch Abstimmungspflicht mit dem Planetarium zu vermeiden, dass der Vorstellungsbetrieb durch die Bauarbeiten beeinträchtigt wird. Nur im unvermeidlichen Beeinträchtigungsfall muss die Bahn Einnahmeausfälle aufgrund der Bauarbeiten entschädigen.

Gibt es ein Wegekonzept während der Bauzeit?

Können Sie bereits ein Wegekonzept in den Schlossgarten während der Bauzeit planen?

Bereits im Rahmen der Planfeststellung 1995 wurden entsprechende Diskussionen über die Erreichbarkeit des Planetariums durchgeführt. Schon damals war die Prämisse, dass das Planetarium dauerhaft erreichbar sein soll, allerdings je nach Bauabschnitt über unterschiedliche Zuwege. In dieser Hinsicht erwarten wir noch Auskünfte der Projektplaner, wie die damals angesprochenen Lösungen umgesetzt werden.

Wenn Sie zurückblicken, was sind die größten Veränderungen im Planetarium seit dessen Eröffnung im Jahr 1977?

Technisch gab es im Jahr 2001 die bislang größte Veränderung, als der alte mechanische Zeiss-Projektor der sechsten Generation durch ein neues, computergesteuertes Gerät der neunten Generation ausgetauscht wurde. Der ausgediente Apparat kann heute als Ausstellungsstück im Foyer des Planetariums bewundert werden. Die neue kuppelfüllende Videoprojektion (vermutlich zum Jahresanfang 2012) dürfte ein ähnlich bedeutender Schritt werden. Wir gehen also mit der Zeit. Personell bestand die größte Veränderung sicher im Jahre 2008, als der Gründungsdirektor Professor Dr. Hans-Ulrich Keller nach 31 Jahren in den Ruhestand trat und sein Nachfolger Dr. Uwe Lemmer die Leitung der Einrichtung übernahm.

Die Ansprüche des Publikums haben sich verändert

Inwiefern haben sich die Ansprüche des Publikums in den vergangenen 34 Jahren geändert?

Vor über drei Jahrzehnten gab es weder Internet noch Großformat-Kino wie IMAX noch digitalen Surround-Sound. Das alles und noch viel mehr ist heutzutage der Normalfall. Entsprechend sind die Erwartungen der Menschen an eine zeitgemäße Präsentation von Wissenschaft und Forschung gewachsen. So, wie die Geschwindigkeit wissenschaftlicher Entdeckungen ansteigt, müssen auch Veranstaltungen im Planetarium mit den Entwicklungen mithalten. Insgesamt erwarten die Menschen heutzutage mehr Dynamik als früher, mehr Dramaturgie bei der Präsentation von Informationen, und es gibt das Bedürfnis nach einer Übersicht, um nicht im Dschungel der Einzelerkenntnisse verloren zu gehen.

Wie reagieren Sie darauf? Etwa bei der Programmgestaltung?

Schauen Sie sich das aktuelle Programmheft des Planetariums an und vergleichen Sie es mit dem Faltblatt vor drei Jahrzehnten. Es ist nicht nur farbiger und umfangreicher, sondern auch vielgestaltiger. Das heutige Programmangebot ist stärker aufgefächert als vor 30 Jahren. Wir fangen mit Veranstaltungen für Kinder ab vier Jahren an und es geht bis hin zu Vorlesungen und Seminaren für Studenten. Es gibt eine Vernetzung mit der Universität. Kulturelle Veranstaltungen sind eingeführt worden: Lesungen, Ausstellungen, die Teilnahme an der Langen Nacht der Museen, Yuri's Night, American Days, Lasershows - um einige zu nennen. Überall macht das Planetarium mit.

"Weltuntergänge sind sehr beliebt"

Was war bislang der größte Publikumsmagnet in der Geschichte der Sternenwelt?

Schwer zu sagen. Ein besonderes Merkmal des Planetariums ist seine Fähigkeit, den Sternenhimmel so außerordentlich naturgetreu nachzumachen. Die von Zeiss erfundene Glasfasertechnik erzeugt einen geradezu überirdischen Himmelsanblick. Viele Leute vergessen den ersten Planetariumsbesuch ihr ganzes Leben nicht mehr. Thematisch sind es heute die spektakulären Themen der modernen Astrophysik, welche die Menschen ins Planetarium zieht: Schwarze Löcher, Urknall, Suche nach anderen Planeten. Aber auch die emotionale Auseinandersetzung mit diesem riesigen Weltall beschäftigt die Menschen oft mehr als man zunächst denkt. Das Staunen über die Schöpfung, die Frage nach dem woher und wohin und die Spekulation über außerirdisches Leben. Sehr beliebt sind auch immer wieder Weltuntergänge. Ob durch Meteoriteneinschläge oder den Maya-Kalender - die Endlichkeit unserer Existenz und die Möglichkeit eines abrupten Endes hat schon immer die Gemüter bewegt.

Steht die Zukunft des Planetariums in den Sternen?

Spielen wir ein wenig Zukunftsmusik. Was würde sich fürs Planetarium ändern, wenn das Science Center eines Tages doch noch gebaut wird?

Ein Planetarium - zumal in der Größe, wie wir es hier in Stuttgart haben - wäre immer eine Hauptattraktion in einem Science Center. Je mehr Attraktionen auf einem Fleck sind, desto interessanter ist die Einrichtung für Touristen. Im Verbund mit einem Science Center gibt es viele Synergien, sowohl thematisch als auch betrieblich. Wenn es gelingt, ein in sich logisches und durchdachtes Konzept zu entwickeln, könnte das für alle Bestandteile eines Science Centers von großem Vorteil sein. Vor dem Mobilitätserlebniszentrum hat es bereits andere Ideen gegeben, ein Science Center in Stuttgart zu errichten. Es steht zu vermuten, dass es irgendwann auch wieder neue Initiativen in dieser Hinsicht geben wird. Doch wenn wir von der Gegenwart und nahen Zukunft reden, bleibt unser Planetarium eine solitäre Einrichtung im Schlossgarten. Also konzentrieren wir unsere Kräfte darauf, dass es dort erfolgreich weiterarbeiten kann.