Nach zweijährigen Verhandlungen über die Zukunft der Villa Berg gibt es nun endlich eine Einigung mit dem Eigentümer Mathias Düsterdick: Die Stadt Stuttgart nimmt das Kulturdenkmal in ihren Besitz für 300.000 Euro.

Klima/Nachhaltigkeit : Thomas Faltin (fal)

Stuttgart - Manche wollten nicht mehr daran glauben, aber jetzt ist es tatsächlich wahr geworden: Die Stadt Stuttgart wird die Villa Berg, um deren Zukunft seit zehn Jahren gerungen wird, wohl zum 1. August in ihren Besitz bekommen. Der Sanierung des einstigen Königsschlosses steht damit nichts mehr im Wege.

 

Wie die Stadt und der bisherige Eigentümer, das Immobilienunternehmen Property Development Investors (PDI) in Düsseldorf, mitteilten, wechseln die Villa Berg und die ebenfalls leer stehenden früheren SWR-Fernsehstudios für 300 000 Euro den Besitzer. Zudem erhält PDI-Chef Mathias Düsterdick 1,45 Millionen Euro für die Tiefgarage unter dem Park; die Stadt ist nach Ablauf der Erbpacht Ende 2014 verpflichtet, die Tiefgarage gegen die Zahlung des Ertragswertes zurückzunehmen. Außerdem überlässt die Stadt Düsterdick ein städtisches Grundstück am Rande des Parks; allerdings zahlt PDI dafür den Verkehrswert von 3,2 Millionen Euro. Früher hatte sich die Stadt immer so geäußert, dies bringe drei bis fünf Millionen Euro; sie erhält jetzt also eher den unteren erzielbaren Wert. Dort kann PDI 40 Wohnungen bauen, was eine zusätzliche Rendite erbringt. Die Verpflichtung, eine bestimmte Anzahl von Sozialwohnungen zu bauen, ist erlassen worden.

OB Fritz Kuhn (Grüne) und Finanzbürgermeister Michael Föll (CDU) haben die Einigung als sehr positiv bewertet: Der Preis sei „relativ günstig“, so Kuhn. Föll ergänzte: Nach der Insolvenz von Rudi Häussler im Jahr 2007 hätte die Stadt fünf bis sechs Millionen Euro bezahlen müssen, wenn sie ihr Vorkaufsrecht wahrgenommen hätte.

Gutachter soll die Villa Berg prüfen

Damit wird ein Schlussstrich unter sehr zähe Verhandlungen gezogen. Denn das Tischtuch zwischen der Stadt und PDI war zerschnitten. Sicher fühlte sich Mathias Düsterdick brüskiert, weil die Stadt sein Angebot ausgeschlagen und ihm quasi den Stuhl vor die Tür gestellt hat. Er hatte die Villa auf eigene Kosten sanieren und dort ein Varieté unterbringen wollen, falls er die benachbarten leeren SWR-Fernsehstudios in Wohnungen hätte umbauen dürfen. Doch 2013 beschloss der Gemeinderat, die Villa Berg selbst zu sanieren und die Fernsehstudios abzureißen. Trotzdem kaufte Düsterdick Villa und Studios. Die Stadt war auch nicht gut auf die PDI zu sprechen, weil diese kurz vor der Rückgabe der Tiefgarage einen langfristigen Mietvertrag mit einem Parkhausbetreiber abschließen wollte, ohne eine städtische Zustimmung einzuholen. Die Stadt konnte dies aber verhindern.

Wirtschaftlich dürfte sich der Poker für PDI ausgezahlt haben. Denn Gerüchten zufolge hat Düsterdick für die Tiefgarage nur eine mittlere sechsstellige Summe gezahlt, erhält allein dafür aber jetzt 1,45 Millionen Euro. Manche, wie der frühere Bezirksvorsteher im Osten und jetzige SPD-Fraktionschef Martin Körner, hatten PDI deshalb mehrfach Spekulation vorgeworfen.

Zunächst soll nun ein Gutachter die Villa Berg prüfen – es ist mit schweren Schäden zu rechnen. Dann sollen die Bürger mitsprechen können, wie man die Villa nutzen möchte. Es gebe deshalb bewusst kein Konzept der Stadt, so Kuhn. Martin Körner regte erneut an, ein Film- und Medienzentrum in der Villa Berg unterzubringen, was den Medienstandort im Osten stärken würde. Kuhn war am Dienstag eher skeptisch: Dazu sei die Villa zu klein.

Hohe Sanierungskosten kommen auf die Stadt zu

Die Stadt rechnet im Moment mit Sanierungskosten in Höhe von zehn Millionen Euro, weiter mit Abrisskosten für die Studios in Höhe von vier bis fünf Millionen Euro. Gegenüber PDI hat sich die Stadt übrigens verpflichtet, den Abriss innerhalb der nächsten fünf Jahre zu bewerkstelligen. In der Gegenrechnung hofft man auf bis zu 50 Prozent Fördermittel. Das Land habe bereits angedeutet, die Sanierungszuschüsse für den Stöckach entsprechend zu erhöhen. Die Kosten für die Tiefgarage will die Stadt über die Vermietung der Stellplätze refinanzieren. Der SWR miete schon jetzt etwa 120 der 376 Plätze, auch Anwohner sollen künftig diese Möglichkeit haben. Bei einer Auslastung von 75 Prozent sei die Tiefgarage rentabel, so Michael Föll.

Der Bürgermeister betonte weiter, dass die Stadt den denkmalgeschützten Sendesaal von Egon Eiermann erhalten werde. Das bedeutet, dass die Villa im Grunde aus einem einzigen Raum besteht – viele Nutzungen schließt das von vorneherein aus.

Vom Königsschloss zur Konkursmasse

1845 bis 1913 Der spätere württembergische König Karl hat die Villa Berg zwischen 1845 und 1853 im Stil der italienischen Renaissance erbauen lassen. Mit dem Park bildet das Königsschloss eine architektonische Einheit.

1913 bis 1951 Die Stadt Stuttgart erwirbt Villa und Park – das Areal wird erstmals für die Bürger zugänglich. Es werden Konzerte veranstaltet, später ist eine Gemäldegalerie in der Villa untergebracht. Im Zweiten Weltkrieg wird die Villa stark beschädigt.

1951 bis 2004 Der Süddeutsche Rundfunk übernimmt die Villa und baut die Fassaden wieder auf; das Innere wird aber komplett neu gestaltet. Der Sendesaal von Egon Eiermann in der Villa steht wie Park und Fassade unter Denkmalschutz. 1959 wird der benachbarte Gutbrod-Bau errichtet, 1965 die SWR-Fernsehstudios.

2004 bis 2013 Der SWR baut an der Neckarstraße neu und gibt Villa und Fernsehstudios auf – seither steht beides leer. Ein Gastronomiekonzept von zwei Stuttgartern scheitert. Im Jahr 2007 will der Immobilienunternehmer Rudi Häussler in der Villa ein Luxushotel unterbringen, doch 2010 muss er Insolvenz anmelden. Der Düsseldorfer Investor PDI erwirbt Ende 2011 Villa und Studios mit Zustimmung der Gläubigerbanken von den Insolvenzverwaltern. Er will in den Studios Wohnungen bauen und die Villa auf eigene Kosten renovieren.

Juli 2013 Die Stadt beschließt, die Studios abzureißen und die Villa in Eigenregie zu sanieren. Seither gab es die Pattsituation: PDI besitzt Villa und Studios, kann aber nichts unternehmen; die Stadt möchte gerne loslegen, hat aber nicht das Eigentum.

Juni 2015 Nach zweijährigen langwierigen Verhandlungen scheint nun die Einigung zwischen Stadt und PDI gelungen zu sein.