Die Unesco ­kürt erneut ausgewählte Kulturformen als besonders schützenwert. Doch was können solche Maßnahmen nützen?

Manteldesk: Mirko Weber (miw)

Stuttgart - Vor zwölf Jahren entstand seitens der UN-Kulturorganisation Unesco ein Übereinkommen zur Erhaltung von gefährdetem immateriellen Kulturerbe der Menschheit. Inzwischen umfasst die Liste fast 500 Posten. Anfangs gab es keine großen Auseinandersetzungen, als zum Beispiel die Kunst der Pizzaherstellung in Italien symbolisch unter Schutz gestellt wurde. Das leuchtete fast jedem ein, denn nicht einmal in Italien selbst wird Pizza manuell in der Regel durchweg so gefertigt, wie das die neapolitanischen Erfinder allein wünschenswert fanden.

 

Rituale, Bräuche und spezielle Produktionsprozesse können sich im immateriellen Kulturerbe herausgehoben wiederfinden, und natürlich wird es heikler, je mehr Vorschläge zusammenkommen. Was erhält den Vorzug bei der immer im November stattfindenden Ausschusssitzung – und warum? Zum Beispiel hat die belgische Bierkultur einen entsprechenden Status bekommen, obwohl man es – bei aller Wertschätzung belgischer Biere im Einzelnen – fraglich finden darf, wie da manchmal mit Zucker, Früchten und Farbstoffen bei der Herstellung hantiert wird. So erhaltenswert einem das Prinzip der Genossenschaft als solches, das Handwerk des Orgelbaus und die Kunst der Falknerei insgesamt vorkommt, um drei deutsche Listenplätze zu nennen: Hätten es das Brezelbacken oder das Schuhplatteln – wiewohl noch gang und gäbe, wenn auch im einen wie im anderen Fall qualitativ hoch anfällig – nicht ebenfalls schaffen sollen?

Kann hier jemand den Massai helfen?

Auch die neusten Ergänzungen stimmen nachdenklich: Als schützenswert gilt fortan zum Beispiel das syrische Schattenspiel mit handgefertigten Puppen. Wer aber soll es behüten – und wie? Die Übergangsriten der jungen Massai? Kann da jemand von außen helfen? Darüber hinaus muss es zwangsläufig zu Interessenkonflikten kommen, sollte zum Beispiel die Parfümherstellung in Frankreich gelistet werden – schließlich steht dahinter eine gigantische Industrie. Ein generelles Problem bleibt unlösbar: Zum Wesen von Kulturen und ihren Bräuchen gehört, dass sie kommen und gehen und sich aus einer stilisierten Konservierung (wie der Unesco-Nominierung) nicht viel machen. Stirb und werde – ein kaum lenkbarer Prozess.