Der Stuttgarter OB Fritz Kuhn macht sich nicht nur für eine erneute Förderung des Tanzfestivals „Colours“ stark, sondern auch für die Kunsthochschule. Das stößt manchen bitter auf.

Stuttgart - Am heutigen Mittwoch geht es in den Haushaltsberatungen im Stuttgarter Gemeinderat erstmals in die Vollen: Unter anderem werden Investitionen im Umfang von mehreren Hundert Millionen Euro für Schulen, Sport und Kultur besprochen. Dabei wird auch der von OB Fritz Kuhn (Grüne) überraschend auf die Vorschlagsliste der Verwaltung aufgenommene Antrag des Theaterhauses zur erneuten und deutlich höheren Förderung des Tanzfestivals „Colours“ aufgerufen.

 

Von dieser im Rat umstrittenen Entscheidung offenbar beflügelt, hat sich vor wenigen Tagen Petra von Olschowski, Leiterin der Kunstakademie Baden-Württemberg, „äußerst kurzfristig zu einem Haushaltsthema“ bei den kulturpolitischen Sprechern der Ratsfraktionen und bei der zuständigen Bürgermeisterin Susanne Eisenmann (CDU) gemeldet. Sie benötige einen Mietzuschuss von 5000 Euro pro Jahr, um für ihre Studenten die ehemalige Galerie Harthan in der Gerberstraße als Ausstellungsraum anmieten zu können. Dabei löst bei Stadträten weniger der Betrag erhöhten Blutdruck aus, und schon gar nicht stößt die Idee auf Unverständnis, die am Killesberg beheimatete Einrichtung besser in der Innenstadt zu verorten. Man fürchtet allerdings einen Präzedenzfall – da könne ja künftig jeder kommen, heißt es. Stadträte wundern sich vor allem, dass der OB das Gesuch überhaupt auf die Tagesordnung gesetzt habe, da es sich doch um eine Landeseinrichtung handele. Offenbar solle die Stadt für das Land in die Bresche springen und deren Hochschule unterstützen. Das wäre dann wirklich höchst ungewöhnlich.

Nur Schwarz-Grün will mehr Geld für Tanzfestival

Die geplante Förderung von Eric Gauthiers gefeiertem Tanzfestival „Colours“, das in diesem Jahr Premiere mit 20 000 Besuchern im Theaterhaus und Tausenden tanzenden Stuttgartern in der City feierte, ist längst zum Politikum geworden: Bis auf die   schwarz-grüne Mehrheit lehnen alle Fraktionen die Unterstützung oder zumindest die Erhöhung um 100 000 Euro ab. Der CDU-Fraktionsvorsitzende Alexander Kotz hat seine im Rahmen der Vereinbarung mit den Grünen garantierte Zustimmung zudem damit begründet, OB Kuhn auf diese Weise zu zwingen, sich der Kulturszene zu erklären.

Unmut hat es auch im Sportbereich gegeben – ein Feld, das der Oberbürgermeister für die Haushaltsberatungen komplett unbestellt gelassen hat. Der Sportkreisvorsitzende Fred-Jürgen Stradinger sagte über Kuhn, wenn er erkläre, sich mehr um Sport kümmern zu wollen, meine dieser nur die eigene körperliche Ertüchtigung. Die integrative Kraft der 300 Vereine würde von der Rathausspitze ignoriert. Gerade jetzt, da es gelte, Flüchtlinge zu integrieren und den Ganztagsbetrieb in der Schule zu organisieren, leisteten die Vereine hervorragende Arbeit, die „zum Dank mit zwei Kunstrasenplätzen abgespeist werden“.

Theaterhaus will Tickets günstiger anbieten

Willi Friedmann, der kaufmännische Geschäftsführer des Theaterhauses, hatte am 24. Juli bei der Kulturverwaltung eine „zweckgebundene Förderung“ von voraussichtlich 350 000 Euro beantragt, um „Colours“ 2017 wiederholen zu können. Er benötige Planungssicherheit, die Künstler müssten früh gebucht werden. Die erste Zuwendung war im Gemeinderatsbeschluss ausdrücklich als „einmalig“ bezeichnet worden. Die zusätzlichen 100 000 Euro begründete Friedmann mit einem höheren Bedarf an innerstädtischen Veranstaltungen und dem Umstand, dass die Eintrittspreise teilweise als zu hoch erachtet worden seien. Damit überzeugte sich der Geschäftsführer allerdings nicht einmal selbst. Er betonte im Schreiben auch, eine Auslastung von 93 Prozent spreche eher dafür, „dass sie insgesamt adäquat“ gewesen seien. Man wolle aber beim nächsten Mal jungen Menschen günstigere Tickets anbieten.

Friedmann sagte, die anderen Sponsoren seien 2017 wieder mit an Bord, voraussichtlich mit höherem Einsatz. Das stimmt so nicht ganz. Zwar bestätigte die Die Mercedes-Benz-Bank, die 590 000 Euro gegeben hatte, gegenüber der StZ, das Theaterhaus wieder mit einem „signifikanten Betrag“ zu unterstützen; die Höhe sei aber noch nicht geklärt. Christoph Dahl von der Landesstiftung Baden-Württemberg (300 000 Euro) teilte dagegen mit: „Uns liegt kein Antrag des Theaterhauses vor.“ Die Landesstiftung unterstütze Ereignisse aber in der Regel einmalig.

Kunstszene sieht Unterstützung für Gauthier kritisch

Als Friedmann Ende Juli eine Grobplanung für das zweite Tanzfestival servierte und eine Abrechnung für die Premierenveranstaltung avisierte, hatte die Kulturverwaltung ihre Vorhaben für den Doppelhaushalt bereits beschlossen und priorisiert. „Colours“ habe gar kein Thema sein können, weil die Förderung einmalig gewesen und nicht abgerechnet gewesen sei. Die Prüfung der Mittelverwendung sei   stets Voraussetzung für eine weitere Unterstützung. Die Abrechnung wurde dann Anfang November vorgelegt. Friedmann sagt, das Ergebnis sei ausgeglichen mit je 1,6 Millionen Euro Einnahmen und Ausgaben. Gehör fanden das Theaterhaus und ihr Aushängeschild Eric Gauthier im Rathaus dann doch – beim bekennenden Kulturfreund OB Fritz Kuhn. Er setzte das Projekt – exklusive einer Plausibilitätsprüfung und inklusive des Erhöhungsbetrags von immerhin 100 000 Euro – auf seine „grüne Liste“. Dieser Verwaltungsentwurf ist die Grundlage für die Haushaltsberatungen. Die schwarz-grüne Mehrheit hat zugesagt, diese Liste – von einigen marginalen Änderungen abgesehen – passieren zu lassen. In der chronisch unterfinanzierten und von der Selbstausbeutung der Künstler profitierenden Szene wird die Unterstützung Gauthiers kritisch gesehen, hat CDU-Chef Kotz in seiner Haushaltsrede deutlich gemacht. So wird sich etwa die freie Tanz- und Theaterszene Gedanken machen. Sie fordert schon lange und vergeblich geeignete Räume für Proben und Aufführungen.