Stuttgarts Oberbürgermeister Fritz Kuhn hält eine Kandidatur um den Titel „Kulturhauptstadt Europas“ für nicht zielführend. Sein Ludwigsburger Kollege Werner Spec, der mit der Idee an die Öffentlichkeit trat, ist enttäuscht.

Chefredaktion : Holger Gayer (hog)

Stuttgart - Wenn es nach Fritz Kuhn (Grüne) geht, wird Stuttgart im Jahr 2025 nicht den Ehrentitel „Kulturhauptstadt Europas“ tragen. „Wir dürfen uns nicht verzetteln, sondern müssen uns auf das Wesentliche konzentrieren“, sagt der Stuttgarter Oberbürgermeister auf Anfrage der Stuttgarter Zeitung. Schon die Bewerbung um den Titel, den die Europäische Union in jedem Jahr an zwei Städte verleiht, müsse mit 500 000 Euro jährlich veranschlagt werden; das gesamte Projekt könne bis zu 100 Millionen Euro kosten. Ein solcher finanzieller Aufwand sei in Anbetracht der anstehenden Sanierungsaufgaben für Oper, Wagenhallen, Kultur- und Kongresszentrum Liederhalle sowie die Erweiterung des Theaterhauses und des möglichen Neubaus des Linden-Museums nicht zielführend, sagte Kuhn. Dass all diese Einrichtungen in neuem Glanze erstrahlen, sei aber seine „Vision von einer blühenden Kulturlandschaft in Stuttgart“.

 

Eine Bewerbung um die Kulturhauptstadt brauche dagegen neue Leuchtturmprojekte. Wegen der knappen Flächen in der Landeshauptstadt könnte ein solches nur im Rosensteinviertel entstehen, auf den Flächen, die durch den Bau des Tiefbahnhofs frei werden – allerdings nach Schätzungen Kuhns frühestens im Jahr 2025. „Wenn dann aber schon die Veranstaltungen im Rahmen der Kulturhauptstadt stattfinden sollten, könnten wir diese nur auf einer Baustelle machen. Das geht nicht“, betonte Kuhn.

Stuttgarts OB empfiehlt den Stadträten die Ablehnung

In einer Mitteilungsvorlage an den Gemeinderat empfiehlt der OB daher, die Idee seines Ludwigsburger Amtskollegen Werner Spec abzulehnen. Wie die StZ berichtete, hatte der eine Kandidatur der Region Stuttgart ins Spiel gebracht – mit dem Ziel, „einen ganz großen Wurf“ zu landen. Mit dem Titel der Kulturhauptstadt Europas im Gepäck „haben wir auch die Möglichkeit, nachhaltige Konzepte zur Mobilität, Energiewende und zur Generalfrage, wie wir künftig leben wollen, zu entwickeln“, hatte Spec an Silvester 2014 gesagt – und damit die Hoffnung verbunden, in diesem Jahr ein positives Signal aus dem Rathaus der Landeshauptstadt zu empfangen.

Dass dies nun nicht kommt, überrascht den Ideengeber zwar nicht, enttäuscht ist er dennoch. „Es mag ja gute Gründe geben, warum die Stadt Stuttgart eine Bewerbung ablehnt, aber man hätte die Argumente wenigstens in einem offenen Prozess austauschen können“, sagt Spec auf StZ-Anfrage. Tatsächlich sei aber nur einmal – bei einem Treffen der OB aus der Region am Mittwoch in Schorndorf – darüber geredet worden. Da habe die Entscheidung Stuttgarts aber schon festgestanden. Das positive Votum des Großteils der OB-Kollegen habe an  Kuhns negativer Grundhaltung nichts mehr ändern können. Das sei schade, so Spec. Zwar akzeptiere man in der Region die führende Rolle der Landeshauptstadt. „Dann hat sie aber auch die Aufgabe, in der Lokomotive zu sitzen und nicht im Bremserhäuschen“, so Spec.

Kuhn fürchtet die Folgen einer gescheiterten Bewerbung

Dort verortet sich Kuhn freilich nicht, im Gegenteil. Er verweist immer wieder darauf, wie regional er denke. Immerhin sei er es gewesen, der mit seinem Parteifreund, Landesverkehrsminister Winfried Hermann, den Streit über die Zuständigkeiten im Nahverkehr zwischen dem Verband Region Stuttgart und den Landkreisen geschlichtet habe. Er wisse, dass er nicht nur Oberbürgermeister von Stuttgart, sondern auch Vizepräsident des Regionalverbandes sei, „aber ich kann die Stadt nicht in ein Projekt jagen, das schlecht für sie wäre“. Schließlich müsse man auch bedenken, dass mit einer Bewerbung noch längst nicht die Entscheidung für Stuttgart gefallen wäre. Eine Niederlage würde aber mit Stuttgart nach Hause gehen, nicht mit der Region.

Dieses Argument möchte Spec nicht gelten lassen. Man dürfe nicht schon zu Beginn einer Bewerbung über die Folgen eines möglichen Scheiterns nachdenken, sagt der Ludwigsburger OB. Nun warte er ab, wie der Stuttgarter Kulturausschuss am Dienstag und einen Tag später der Verwaltungsausschuss über die Sache denke, sagt Spec. Und falls dort die Empfehlung des Kollegen Kuhn eine Mehrheit fände, werde er trotzdem weiter an einer besseren Verzahnung der Städte arbeiten: „Wir müssen unsere Stärken zeigen.“

Dagegen hat Fritz Kuhn nichts einzuwenden. Er werbe dafür, dass in der Bürgerbeteiligung zur Gestaltung des Rosensteinviertels auch die Kultur eine tragende Rolle spiele. Und in eine möglicherweise folgende Internationale Bauausstellung könne die Region sicher involviert sein.