Es geht um einen Zuschuss von nur rund 3000 Euro im Jahr. Doch die Botschaft des AfD-Antrags schlägt hohe Wellen. Foto: Werner Kuhnle/dpa
Laut der AfD in Ludwigsburg ist das Demoz nicht neutral und kein Angebot für die gesamte Bürgerschaft. Die Kritik folgt prompt: Das sei ein offensichtlicher Angriff auf Andersdenkende.
Es ist ein Antrag mit politischer Sprengkraft: Die Fraktion der Alternative für Deutschland (AfD) im Ludwigsburger Gemeinderat fordert, die seit 33 Jahren bestehende städtische Förderung des Demokratiezentrums „Demoz“ zu streichen. Zur Begründung heißt es, das Zentrum sei nicht neutral und biete keinen Mehrwert für die gesamte Stadtbevölkerung.
Für die Verantwortlichen des Demoz und mehrere Lokalpolitiker ist der Antrag mehr als nur Haushaltspolitik. Sie werten ihn als Angriff auf die Unabhängigkeit kultureller Einrichtungen – und auf die Meinungsfreiheit in der Stadt. Ist der Kulturkampf auf bundespolitischer Ebene nun auch in Ludwigsburg angekommen?
Unabhängigkeit der Kultur steht auf dem Spiel
Auf Nachfrage unserer Zeitung bezieht die stellvertretende AfD-Vorsitzende Stellung zum Antrag. Eine öffentliche Unterstützung sollte ausschließlich Projekten zugutekommen, die allen Bürgern offenstehen und nicht ideologisch geprägt sind, sagt Franziska Dötterer. Die Kritik am Demoz richte sich nicht allgemein gegen kulturelles oder gesellschaftliches Engagement, „sondern gegen eine erkennbare politische Einseitigkeit in Teilen des Veranstaltungsprogramms“. Einige Veranstaltungen würden „bestimmte politische Positionen – insbesondere die der AfD – einseitig oder ausgrenzend behandeln“.
Die Verantwortlichen des Demoz sind schockiert. „Wenn Gemeinderäte beginnen, über Fördermittel kulturpolitisch missliebiger Einrichtungen zu verhandeln, steht mehr auf dem Spiel als nur eine einzelne Förderung“, sagt Demoz-Vorständin Yvonne Kratz. „Nämlich die Unabhängigkeit von Kunst, Kultur und Demokratiearbeit in unserer Stadt.“ Das sei ein fatales Signal an alle, die sich freiwillig für das Gemeinwohl einsetzen.
Das Zentrum sei ein Ort des Austauschs, der Diskussion und der Begegnung, so Kratz. Gerade die Offenheit des Projekts mache es offenbar zur Zielscheibe rechtspopulistischer Angriffe. Kratz kritisiert den Antrag aber auch inhaltlich – denn die Forderung nach Neutralität sei irreführend. In Deutschland sei es rechtlich geregelt, dass politische Neutralität keine Fördervoraussetzung ist – sondern der gemeinnützige Zweck.
Von Fraktionen im Gemeinderat kommt ebenfalls scharfe Kritik am Antrag der AfD. Aus Sicht der Grünen habe er keine Berechtigung, das Demoz sei gemeinnützig anerkannt und stärke den demokratischen Diskurs. Städtische Förderungen kämen nie allen Bürgern gleichermaßen zugute. „Deshalb ist die kulturelle Förderung in Ludwigsburg auch breit gestreut“, teilt die Fraktionsvorsitzende Verena Alexander mit.
Noch deutlicher wird SPD-Stadtrat Nathanael Maier. Der Antrag sei „lächerlich“, schon allein wegen der geringen Fördersumme, um die es geht. „Das wird in der Bearbeitung mehr Geld kosten, als wir einsparen würden“, sagt er. Darum gehe es der AfD aber ohnehin nicht. „Wenn die AfD wirklich prüfen wollte, ob Fördermittel sinnvoll eingesetzt werden, hätte sie eine allgemeine Anfrage stellen können“, argumentiert Maier. „Stattdessen pickt sie sich gezielt eine Institution heraus, die ihr politisch nicht passt. Das ist ein Angriff auf die Meinungsfreiheit unter dem Deckmantel der Transparenz.“
Auch Jugendgemeinderätin Greta Graf äußert sich zum AfD-Antrag. Aus ihrer Sicht sei dieser parteipolitisch motiviert und habe nichts mit sachlicher Stadtpolitik zu tun. Die Argumentation der AfD bezeichnet sie als schwach: „Natürlich ist das Demoz nicht unpolitisch – das muss es auch gar nicht sein, um förderfähig zu sein.“ Die Partei stelle sich gerne als Verfechter der Meinungsfreiheit dar, will dann aber Institutionen abstrafen, die politische Teilhabe und freie Meinungsäußerung fördern.
Kulturkampf jetzt auch in Ludwigsburg?
Der Antrag ist nicht der erste Konflikt dieser Art seit dem Einzug der AfD in den Gemeinderat 2024. Bereits Ende Februar hatte AfD-Fraktionsvorsitzende Carina Kuhnke dem Jugendgemeinderat und SPD-Mitglied Abdi Ahmed vorgeworfen, an Kundgebungen der Antifa teilgenommen zu haben, und seine Integrität infrage gestellt. Die Anschuldigungen erwiesen sich als unbegründet. Nun richtet sich der nächste Vorstoß gegen das politisch links verortete Projekt Demoz.
Solche Auseinandersetzungen sind für Ludwigsburg neu – bundesweit jedoch längst Teil eines größeren Trends. Immer wieder stellt die AfD die politische Neutralität von Institutionen infrage und attackiert Förderungen für zivilgesellschaftliche oder kulturelle Einrichtungen. Politikwissenschaftler und Kulturinstitutionen sprechen in diesem Zusammenhang von einem „Kulturkampf“.
So ging die Partei etwa gegen das Bundesprogramm „Demokratie leben!“ vor, das sie als einseitig kritisiert. Auch die Gedenkstätte Buchenwald wird von der AfD kritisiert, weil sie aus Sicht der Landespartei Thüringen nicht neutral genug sei. In Osnabrück klagte der niedersächsische Landesverband gegen eine Schule, die ein Theaterstück aufführte, das sich kritisch mit AfD-Positionen auseinandersetzte.
Gemeinnützigkeit war umstritten
Summen Seit 1992 bezieht das Demokratiezentrum Förderungen von der Stadt. Angefangen hat alles mit einem Zuschuss von 5000 D-Mark pro Jahr. Mittlerweile sind es 3050 Euro im Jahr. Gegebenenfalls könne eine einzelne Projektförderung von 520 Euro abgerufen werden, erklärt Stadt-Sprecherin Karin Brühl.
Gemeinnützigkeit 2019 entzog das Finanzamt Ludwigsburg dem Demoz die Gemeinnützigkeit. Es warf dem Kulturzentrum damals unter anderem mangelnde geistige Offenheit in der politischen Bildungsarbeit vor. Auf den Einspruch des Demoz folgte im Februar 2022 eine Klage vor dem Finanzgericht Stuttgart. Im Oktober darauf gab es eine außergerichtliche Einigung, das Demoz erhielt den Status der Gemeinnützigkeit zurück.