Zur Kulturnacht gibt es ein Wiedersehen mit Otto Herrmann – und dem Stadtbezirk von einst.

Stuttgart-Feuerbach - Die Vorbereitungen für die Kulturnacht laufen auf Hochtouren – auch bei der Otto und Maria Herrmann-Stiftung, die ihren Sitz im Bonatz-Bau hat. Nathalie Kreisz, Großnichte des bedeutendsten Feuerbacher Künstlers, sichtet gerade die Zeichnungen, die die Ausstellungsgäste am Samstag vielleicht auch in das Feuerbach von einst mitnehmen. Zuvor werden zwei Gedenktafeln an den einstigen Wohnsitzen von Maria und Otto Herrmann angebracht. Beim Spaziergang von der Elsenhansstraße 15 zur Burgenlandstraße 92 wird die Stiftungssprecherin aus dem Leben des Paares erzählen.

 

In der Ausstellung „Otto und Maria Herrmann in Feuerbach“ ist dann auch das einzige erhaltene, abstrakte Gemälde Herrmanns zu sehen. Ein zweites hatte die Staatsgalerie kurz nach Fertigstellung 1924 angekauft, es wurde als „entartete Kunst“ später aus der Sammlung entfernt und gilt bis heute als vermisst. Für Otto Herrmann war die Abstraktion freilich nur ein Versuch, den er fast sofort wieder aufgab, erzählt Nathalie Kreisz. Mit dem Verkaufserlös des einen Bildes unternahm er eine Studienreise nach Italien, wo er den großen Meistern nachspürte. Dem verschwundenen Werk habe er nach eigener Aussage „keine Träne nachgeweint“, allerdings sei er von da an immer stärker den Repressalien der Nationalsozialisten ausgesetzt gewesen.

„Wir würden gerne mehr machen“

Erlebnisse in beiden Weltkriegen machten ihn übrigens zum vehementen Kriegsgegner, was sich in der Serie „Die Verdammten“ manifestierte: Er stellt darin das wahre Gesicht des Krieges dar, der Schuldige und Unschuldige gleichermaßen zu Opfern macht. In einer seiner Lithografien zeigte Herrmann etwa einen verhungernden Soldaten, der einem gefallenen Kameraden das Hirn herauskratzt: „Wer das kann, ist starke Rasse“, steht dazu bissig vermerkt. Als die Werkserie 1950 erstmals ausgestellt wurde, beschuldigte man den Künstler, den deutschen Soldaten zu verunglimpfen. Später wandelte sich die Meinung, und man hielt ihm vor, die Gräueltaten an der Front zu entschuldigen. So oder so: Herrmann konnte es nicht recht machen – er zog sich in sein Atelier an der Elsenhansstraße zurück. Als er schließlich doch noch späte Anerkennung erfuhr, war es ihm schon unwichtig geworden.

Nach seinem Tod 1995 rief seine Ehefrau Maria Herrmann die Stiftung ins Leben, die sich seither um Erfassung und Erhalt des künstlerischen Nachlasses bemüht und ihn in Ausstellungen präsentiert. Das sei allerdings zunehmend schwer, erklärt Nathalie Kreisz: „Wir würden gerne mehr machen.“ Weil das Stiftungsvermögen unangetastet bleibt, der Zinserlös daraus aber seit Jahren rückläufig ist, geht der Otto und Maria Herrmann-Stiftung, wie wohl vielen anderen Stiftungen auch, langsam aber sicher finanziell die Luft aus.

Eine Wand der Ausstellung wird der Familie und dem Feuerbacher Umfeld gewidmet. „Bleib so!“ sei immer der typische Ausruf Herrmanns gewesen, erinnert sich Nathalie Kreisz: „Er hatte ja keine Modelle, deshalb mussten immer alle, die zu Besuch kamen, für ihn posieren.“ Gerne skizzierte er auch in der Lederfabrik Roser, also dort, wo heute die Stiftung ihren Sitz hat. Auch davon werden Zeichnungen zu sehen sein. Ein Besuch ist also in doppelter Hinsicht spannend: Er führt auf die Spur eines großen Künstlers und nimmt gleichzeitig mit in die Feuerbacher Ortsgeschichte.