Unter dem Motto „Utopie to go“ hat die Kabarettistin Stefanie Kerker in der Lahrensmühle das Publikum unterhalten. Wie war es?
Einmal Utopie, bitte – zum Mitnehmen. Ja, Utopie ohne alles. Ohne falsche Hoffnungen, denn so was kommt bei Stefanie Kerker nicht in die Tüte. Dafür schaut sie viel zu genau hin. Weiß, was los ist in diesem Lande. Vor allem, was alles los sein könnte, wenn es nach ihr ginge. Ein neugieriges Publikum von circa 40 Leuten hat es am Pfingstsonntag in die Lahrensmühle Leonberg gelockt, um die Mischung aus Gesellschaftskritik, Musik und Comedy auf sich wirken zu lassen. Stefanie Kerker, die 1972 geboren wurde und Sprecherziehung studiert hat, ist als Kabarettistin mit verschiedenen Shows unterwegs. Sie spricht im Laufe des Abends viele Themen an wie etwa Femizide, Kapitalismus, die Wahl 2025, Migration und Superreiche.
Missstände und Zukunftsvisionen
Zwischendurch spielt sie satirische Lieder auf der Gitarre, der Mundharmonika oder einer Ukulele, auf einem Piano mit Cello-Sound und singt über Missstände: „Wussten Sie, dass jemand, der 80 Stunden die Woche für einen Stundenlohn von 100 Euro arbeiten würde, dennoch 2350 Jahre braucht, um eine Milliarde zu verdienen?“ Stefanie Kerker weiß das, genauso wie die Tatsache, dass in Deutschland jeden dritten Tag eine Frau von ihrem (Ex-)Partner getötet wird, die vorausgegangene Trennung aber im Gericht als mildernder Umstand gilt. Die Themen sind für die Zuschauer zunächst etwas irritierend verpackt: Kerker entwirft eine Zukunftsutopie, in der alles besser ist, und greift dabei zahlreiche Missstände auf, die ihrer Meinung nach im Jahr 2025 herrschen. Sie verweist auf das Jahr 2025 in der Vergangenheit, erst im Laufe der Zeit versteht der Zuschauer, dass er selbst sich in der Zukunftsutopie befindet.
Gemischte Reaktionen der Zuschauer
Die Reaktionen sind gemischt. Drei ältere Frauen, von denen eine schon öfter bei der Lahrensmühle war, sind begeistert. Ihnen gefallen die Texte und die Instrumente sehr. Nur die Werbung für das Stück sei eher „mickrig“ gewesen. Ein Paar wünscht sich mehr Lösungsvorschläge und habe sich mehr Comedy versprochen, fand jedoch die musikalische Untermalung gut. „Ich hätte es mir positiver gewünscht, schlechte Nachrichten haben wir genug“, sagt der Mann. Eine Zuschauerin meint, dass vor allem die erste Hälfte des Stücks weniger pessimistisch hätte sein können: „Die Themen waren recht runtergezogen, da war kein positiver Twist dabei.“ Klaus Brenner, kulturbegeisterter Baudezernent, gefällt es sehr gut: „Es wird hier einem was gespiegelt, manche Dinge sind krasser, als man denkt.“ Es sei jedoch spaßig dargestellt, sodass „man drüber schmunzeln kann“, so Brenner.
Publikum zu eigenen Gedanken anregen
Auf die Idee für die „Utopie to go“ sei Kerker gekommen, als sie in einem anderen Stück so tat, als sei sie in der Zukunft. Da habe sie gemerkt: „Das ist witzig, das bau ich aus.“ Die Idee des Stücks sei ein gesellschaftlicher Gesamtentwurf, eine Utopie, wie Geld verteilt würde oder wie Männer und Frauen miteinander umgingen. „Mir hat es viel gebracht, so zu denken, das Trübsal zur Seite zu legen. Ich bin dadurch besser drauf“, so Kerker. Sie selbst wolle weniger Dinge konkret benennen und das Publikum anregen, eigene Gedankenwege zu gehen. „Ich fände es cool, wenn die Leute rausgehen und denken, wir haben Möglichkeiten, es gibt Schritte, die man gehen kann. Wenn man sich dem Pessimismus hingibt, entsteht nicht die Energie dafür“. Die nächste „Utopie to go“ gibt es am 25. September im Hofgarten Aschaffenburg.