Petra Olschowski, Staatssekretärin für Kunst im Land, hat ihre Leitlinien vorgelegt. Kunst sei wesentlicher Bestandteil einer offenen Gesellschaft, sagt sie – und das Thema der kommenden Jahre auch im Kunstbereich: Digitalisierung.

Kultur: Tim Schleider (schl)

Stuttgart - Das nennt man zweifellos einen großen Bogen: „Baden-Württemberg ist das Land, aus dem die älteste Darstellung des menschlichen Körpers stammt, die Venus vom Hohle Fels. Und es ist zugleich das Land, in dem Animationskünstler die virtuelle Welt des globalen Serienerfolges ,Game of Thrones‘ entwickeln. Dieses Spektrum macht deutlich, warum wir gute Kulturpolitik brauchen.“

 

Petra Olschowski, die (parteilose) Kunststaatssekretärin in der grün-schwarzen Landesregierung, hat am Donnerstag den Journalisten in der Landespressekonferenz ihre „kulturpolitischen Leitlinien“ für die Legislaturperiode vorgestellt – und eigentlich hätte man sich ihren Beitrag auch als Rede vor dem Plenum des Landtags vorstellen können: Man spürte den Wunsch der früheren Rektorin der Stuttgarter Kunstakademie, der Kulturpolitik Baden-Württembergs mit einer starken Grundsatz- und Wertebasis zu neuem Schwung zu verhelfen.

„Wenn es um die Interessen der Kultur geht, müssen wir um Akzeptanz kämpfen“, meinte Olschowski. „Das Verständnis für unsere Ansprüche ist in Politik, Wirtschaft und Gesellschaft nicht selbstverständlich.“ Sie sehe sich selbst als „Stimme der Kultur“, die gemeinsam mit Künstlern und den Institutionen für einen parteiübergreifenden Konsens streiten wolle. „Aber wir sind in einer Zeit großer Veränderungen“, sagte sie. Die europäischen Gesellschaften zerfielen zusehends in einzelne, getrennte Segmente; nur so sei beispielsweise das Votum der Briten für den EU-Austritt zu erklären. „Wir brauchen die Kultur, um eine aufgeklärte, offene, empathische und tolerante Gesellschaft zu schaffen.“ Früher habe das Schlagwort „Kultur für alle“ in der Debatte eine große Rolle gespielt, so Olschowski weiter: „Aber wer sind heute denn ,alle‘? Vielleicht passt unter den aktuellen Bedingungen besser: Kultur für jede und jeden.“

Was in Kulturdebatten gebraucht wird: Stärke

Zum Glück fiel der Staatssekretärin selbst noch auf, dass zwischen derart hehren gesellschaftlichen Zielen und den realen Ausgaben des Landeshaushalts für die Kultur – aktuell 390 Millionen Euro, die noch nicht einmal 1 Prozent des Gesamthaushalts ausmachen – eine schwindelerregende Fallhöhe besteht. Bei der Frage nach nächsten Schritten nannte Petra Olschowski darum nicht nur „Stärke“ in den anstehenden Finanzdebatten, sondern auch Projektinvestitionen für die Digitalisierung im Kunstbereich. „Das ist unser großes Thema in den kommenden zehn Jahren. Die Produktion von Kultur verändert sich, die Wahrnehmung von Kultur. Aber die neuen Medien bieten auch völlig veränderte Zugangsmöglichkeiten zur Kunst.“ Gerade Museen könnten davon profitieren, die freie Szene entwickle längst ganz neue Ausdrucksmöglichkeiten und Schaffensprozesse.

Konkret wurde Olschowski auch bei den zwei großen Staatstheater-Sanierungen: „Was wir in Stuttgart und Karlsruhe leisten müssen, sind ja keine Luxusprojekte. Wir erfüllen im allergrößten Teil schlicht gesetzlich vorgeschriebene Modernisierungen“. In der Schuldendebatte sei das schlagende Argument, dass wir den Staat heute nicht auf Kosten künftiger Generationen betreiben dürften. „Aber ebenso wenig dürfen wir kommenden Generationen unterlassene Investitionen vererben.“ Was die Staatsoper Stuttgart angeht, nannte sie als nächstes wichtiges Ziel den April 2017: Dann solle der Verwaltungsrat von Stadt und Land über einen konkreten Zeitplan inklusive Finanzierung und die nötige Interimsspielstätte entscheiden.

Auch für Blasmusik wird gesorgt

Konkret wird es im kommenden Jahr aber auch mit der künftigen Nutzung des Kunstgebäudes, aus dem der baden-württembergische Landtag ja nach drei Jahren Gastspiel nun wieder ausgezogen ist. „Wir werden mit verschiedenen Projekten ausprobieren, ob sich das Haus als Experimentierfeld für spartenübergreifendes Spielen eignet.“ Erste Programme werden sich mit dem anstehenden Reformations- und dem Bauhausjubiläum befassen. Und noch etwas Neues: das Kunstministerium wird alsbald eine Akademie für Amateurmusik einrichten, „also für Blasmusik“.

Woraufhin Olschowski dann wieder zur Theorie wechselte: Von 2018 an sollen Politiker, Kulturschaffende und weitere Experten eine neue Kunstkonzeption für Baden-Württemberg erarbeiten. „Das aktuelle Werk ,Kultur 2020‘ des Landtags läuft dann ja aus.“ Zudem hätten sich in den vergangenen zehn Jahren die gesellschaftlichen Voraussetzungen für Kulturpolitik so dramatisch verändert, dass jetzt dringend neu nachgedacht werden müsse, wiederum möglichst parteiübergreifend. Kleine Nachfrage seitens der Journalisten: im Konsens auch mit dem Oppositionsführer AfD? „Nun ja, meine Grundsätze, was die Kulturziele angeht, habe ich ja genannt.“