Der Veranstaltungsort hat nur noch fünf Monate geöffnet, ehe die Spielstätte 2017 generalsaniert wird. Dabei soll auch der Charme des Gebäudes erhalten bleiben.

Freizeit & Unterhaltung : Ingmar Volkmann (ivo)

Stuttgart - Ruhig ist es um das „Kulturschutzgebiet“ Wagenhallen am Stuttgarter Nordbahnhof geworden. Wo sich früher in schöner Regelmäßigkeit die Mitglieder des Kunstvereins und die Macher des Kulturbetriebs Wagenhallen die Köpfe eingeschlagen haben, herrscht nun beinahe eitler Sonnenschein. Das liegt vor allem an einem Geldregen: Die Spielstätte und die Atelierflächen der Künstler werden für knapp 30 Millionen Euro saniert. Während die Künstler bereits von ihren Ateliers in Stuttgarts schönstes Containerdorf auf dem ehemaligen Parkplatz der Wagenhallen gezogen sind und dort mit dem Projekt Bauschule interessante Ansätze verfolgen, läuft das Programm des Kulturbetriebs noch bis zum 31. Dezember 2016.

 

Dann wird von April 2017 an saniert. Bis dahin war es ein weiter Weg. Vor der Generalüberholung musste erst der Streit zwischen den Veranstaltern und den Künstlern aus dem Weg geräumt werden, zwischen denen zeitweise die Politik vermitteln musste – sogar die ehemalige Rektorin der Kunstakademie, die sich zu der Zeit noch Petra von Olschowski nannte und mittlerweile auf der Karriereleiter weiter nach oben ins Wissenschaftsministerium gerutscht ist, mischte sich ein, aus Sorge, den Künstlern könnten ihre Ateliers verloren gehen. Dann stand vor der Renovierung vor allem die Frage im Fokus, ob man den verratzten Charme der Wagenhallen erhalten könne oder ob aus der Spielstätte eine totsanierte Kongresshalle würde.

Mellmann: Wagenhallen werden kein zweites Römerkastell

„Wir hatten alle Angst, dass das hier ein zweites Römerkastell wird. Jetzt sind wir aber auf einem guten Weg, die Atmosphäre und den Style der Halle zu erhalten“, sagt Stefan Mellmann, der gemeinsam mit Thorsten Gutbrod den Kulturbetrieb Wagenhallen verantwortet. Mellmann ist auch deshalb so optimistisch, weil das Atelier Brückner die Sanierung verantwortet. Die Stuttgarter Agentur, die sich auf szenische Architektur spezialisiert hat, sammelt Preise wie Festivalgänger Bändchen: Zuletzt gewann das Atelier Brückner zum Beispiel fünf Auszeichnungen für das Deutsche Dampflokomotiv Museum in Neuenmarkt. Die behutsame Umgestaltung der ehemaligen Lokomotiven-Remise, die von 1895 an gebaut wurde, sollte den Experten also einigermaßen leicht von der Hand gehen.

Die für Konzertgänger in Stuttgart entscheidende Nachricht: Nach dem Umbau soll der Veranstaltungsbetrieb nicht mehr nur auf eine Bühne wie bisher beschränkt sein, sondern je nach Veranstaltungsart mehrere Auftrittsmöglichkeiten haben. „Wir können endlich Konzerte für bis zu 2100 Besucher anbieten, weil sich unsere Veranstaltungsfläche deutlich vergrößert“, sagt Mellmann. Die Hauptbühne wandert vom bisherigen Eingangsbereich viel tiefer in die Halle hinein an eine Stelle, die bisher noch als urbaner Sperrmüllplatz genutzt wird.

Dank Faltwänden kann der Veranstaltungsbereich künftig multifunktional genutzt werden

In dem Zwischenbereich, in dem zuletzt die Toiletten eingebaut wurden, kann eine weitere Bühne eingeplant werden. „Und im bisherigen Veranstaltungsort kann es dann Menüs für 700 Leute geben“, so Mellmann. Mit Faltwänden können die einzelnen Veranstaltungsbereiche von einander separiert werden. So sollen laut Mellmann künftig auch Parallelveranstaltungen möglich sein. Sogar im so genannten kleinen Raum, der bisher hauptsächlich gastronomisch bespielt wird, zum Beispiel beim ambitionierten „Menü im kleinen Raum“, sollen künftig Konzerte für bis zu 199 Besucher möglich sein. Das ist eine der guten Nachrichten der Sanierung: Auch neuere Gebäude wie eben der „Kleine Raum“ oder die „Lackiererei“ sollen nicht abgerissen, sondern in die Neuplanung integriert werden. Neben dem Kulturbetrieb profitiert vor allem auch der Kunstverein von der Sanierung: Die Flächen des Atelier- und Werkstattbereichs verdoppeln sich annähernd von 5000 auf knapp 9 500 Quadratmeter. Auch die Tanzschule Ocho ist mit ihren 450 Quadratmetern von der Renovierung betroffen.

Den Löwenanteil der Sanierung übernimmt die Stadt Stuttgart

Die Verwaltung rechnet mit rund 29 Millionen Euro Kosten für die Generalüberholung. Den Löwenanteil von 26,24 Millionen Euro übernimmt die Stadt, Mellmann und Gutbrod, der Kunstverein Wagenhallen und die Tanzschule Ocho finanzieren gemeinsam drei Millionen Euro. Inwieweit die Stadt die Miete für die neuen Wagenhallen erhöhen wird, ist noch nicht klar.

„Die Verhandlungen über die künftige Miete laufen noch“, sagt Stefan Mellmann. Mellmann freut sich jetzt erst einmal auf den Endspurt vor der Zwangspause – „wir haben noch tolle Veranstaltungen, bis wir die Halle ab 1. Januar 2017 ausräumen“, und träumt bereits von großem Pop am Nordbahnhof in naher Zukunft. „Nick Cave, Gonzales oder Björk passen doch künftig viel besser zu uns als in die Liederhalle.“