Das Volksoratorium „Axion Esti“ von Mikis Theodorakis gilt als eines der Highlights des aktuellen Kultursommers.

Fellbach - Hochkarätige Sopranistinnen aus Thessaloniki und charismatische Rocksänger aus Kreta sind in diesen Wochen zu Gast in Fellbach, wie auch Canzoniere aus Lecce, Liedermacher aus Palermo, renommierte Krimiautoren aus Athen oder Orgelvirtuosen aus Neapel. Der Europäische Kultursommer beschert den hiesigen Interessierten wahrlich internationale Spitzenkönner. Jenes Ereignis, das für Beobachter zu den Highlights des sommerlichen Reigens zählt, wird allerdings vorwiegend von hiesigen Kräften bestückt: Es ist die Aufführung des Volksoratoriums „Axion Esti“ von Mikis Theodorakis.

 

Die Festivalleiterin Christa Linsenmaier-Wolf sagt dazu: „Die Einbindung Fellbacher Kulturvereinigungen in große Projekte – wie jetzt wieder beim Europäischen Kultursommer – ist mir ein besonderes Anliegen.“ Und die Fellbacher Kulturamtsleiterin ergänzt: „Mir gefällt dabei auch, dass Neues entsteht.“

Allein Frauen- und Männerchor sowie Opus 7 steuern mehr als 100 Stimmen bei

Der Abend in der Alten Kelter verspricht durchaus viel Neues und überdies die ganz große Besetzung. Gut 150 Sängerinnen und Sänger werden dabei sein, schätzt Tilman Heiland, Dirigent des Philharmonischen Chors Fellbach und musikalischer Gesamtleiter. Allein Frauen- und Männerchor sowie Opus 7 steuern mehr als 100 Stimmen bei. Dazu kommt noch „Gustaphon“, der Chor des Gustav-Stresemann-Gymnasiums Schmiden unter Leitung von Nele Gerhard. Die Begleitung erfolgt durch die Junge Süddeutsche Philharmonie Esslingen samt zahlreicher Instrumentalisten – Heiland nennt hierbei etwa Mandolinen oder ein griechisches Schlagzeug. Ebenfalls dabei ist eine Santur-Spielerin (Santur ist eine Art griechisches Hackbrett).

Die ersten Überlegungen für diese Aufführungen erfolgten bereits Anfang 2016. In den vergangenen Monaten wurden die Proben im Chorzentrum an der Esslinger Straße immer intensiver. Deshalb dürfte es in kaum einer anderen deutschen Stadt derart viele Sänger geben, die sich so intensiv mit dieser Dichtung des Literaten Odysseas Elytis und der Vertonung durch Mikis Theodorakis beschäftigt haben. Es ist ein Werk, das kontrastreiche Kompositionen verschmilzt, mal mit modernen Stilmitteln und mal sinfonisch angelegt ist und dann wieder aus griechischer Tradition gespeist wird. Den Fellbacher Sängerinnen und Sängern verlangt das einiges ab: Oft müssen sie rhythmisch skandieren, dann wieder gibt es fast atonale Passagen. Und das Besondere: Die Volkslieder singen die Fellbacher Akteure auf Griechisch.

Neben der Musik gibt es noch deutsche Texte, die der Schauspieler Michael Stiller spricht

Das Volksoratorium, 1964 erstmals in Griechenland aufgeführt, „ist Kult in Griechenland“, sagt Heiland. Der Lehrer, der in Esslingen lebt, hat dies schon bei zwei seiner griechischen Schülerinnen erlebt: „Ihre Mutter wusste sofort, um was es sich handelt, als ich von ,Axion Esti’ berichtet habe.“ Theodorakis sei „in Griechenland so etwas wie ein Popstar“.

Dionysios Tsaousidis. Foto: privat
Drei Teile hat das Werk: Den Anfang macht die „Genesis“, die Entstehung der Welt. Der zweite Teil ist die „Passion“, in der es auch um den Kampf gegen den Faschismus, um den Widerstandsgeist des griechischen Volkes gegen die Militärdiktatur, um die Folgen des Bürgerkriegs geht. Und zum Schluss das eigentliche „Axion Esti“ – übersetzt „Gepriesen sei“ oder „Würdig ist“. Eine Liebeshymne auf die griechische Heimat „mit dem Mut zum Pathos und Kitsch“, erläutert Heiland. Neben der Musik gibt es noch deutsche Texte, sie werden gesprochen vom Schauspieler Michael Stiller, der durch seine Rollen am Stuttgarter Staatstheater bekannt ist.

Eine hervorgehobene Rolle hat Dionysios Tsaousidis inne. Als Sohn griechischer Eltern wurde er 1987 in Bad Cannstatt geboren. Der 29-Jährige, der in Untertürkheim lebt, hat an der Stuttgarter Musikhochschule studiert und wurde 2015 mit dem Preis der Deutschen Schubert-Gesellschaft geehrt. In „Axion Esti“ hat er gleich zwei Solisten-Parts sehr unterschiedlicher Prägung – als sogenannter Psalmist im klassischen Stil sowie als Volksliedersänger. „Er hat eine sehr schöne Bass-Bariton-Stimme“, sagt Tilman Heiland. Der musikalische Leiter verspricht den Zuhörern einen besonderen Abend. Der gesangliche Teil dürfte bei einer Stunde liegen, mit den Textbeiträgen dauert es wohl insgesamt etwa eineinhalb Stunden. „Das werden die Zuhörer schon durchhalten“, scherzt Heiland, „viele Passagen gehen ohnehin unmittelbar ins Ohr.“

Das Kulturamt Fellbach, das für Samstag „ein Riesenwerk“ verspricht, hat durch ein paar Umverteilungen in der Alten Kelter mittlerweile Platz für etwa 630 Gäste geschaffen. Rund 580 Karten sind schon weg – es dürfte also angenehm voll in der „Kathedrale aus Holz“ werden.