Schlechte Aussichten für das Theater der Altstadt: Mit einem Minus von 70 000 Euro steht die Stuttgarter Kulturstätte vor dem finanziellen Abgrund – und das ausgerechnet zum Ende des Jubiläumsjahres

S-West - Der Kopf ist blass geworden. Über dem Eingang zum Theater der Altstadt blickt das einst quietschbunte Clownsgesicht verhalten auf die vorbeieilenden Passanten hinab. Der neue Anstrich des Wahrzeichens spricht Bände: Denn auch das Theater selbst muss sich Mühe geben, im kommenden Jahr weiterhin zu strahlen. Denn finanziell steckt das Haus schon im Augenblick tief in der Krise.

 

„Im schlimmsten Fall stünden meine Schauspieler am Ende vor der Tür“, sagt Intendantin Susanne Heydenreich. Seit knapp 22 Jahren leitet die gebürtige Münchnerin die Geschicke des kleinen Theaters am Feuersee und ist dort inzwischen Schauspielerin, künstlerischer Kopf und Kummerkastentante in einem. Dass auch Finanzberatung einmal zu ihren Aufgaben gehören würde, hätte die 63-Jährige allerdings nicht erwartet. Doch finanziell brennt in ihrem Theater momentan die Bühne.

Ein Minus von 70 000 Euro

Mit 70 000 Euro stand das Team rund um Heydenreich Ende 2018 in den Miesen – eine Schieflage, die die Verantwortlichen so nicht kommen gesehen hatten. Nachdem man das Geschäftsjahr 2016 noch mit einem kleinen Plus abgeschlossen hatte, explodierten die Kosten 2017: Eine Steuernachzahlung, zusätzliche Personalkosten durch Vertragsumstellungen sowie steigende Miet- und Energiepreise brachten das Theater ins Schlingern.

Die Reißleine hat man jedoch erst in letzter Sekunde gezogen. Im November gingen die Verantwortlichen mit einem konkreten Hilferuf auf die Stadt zu: „Das war zu spät“, sagt Roland Schmid, erster Vorsitzender des Trägervereins des Theaters, heute. „Aber wir haben gespart, wo wir konnten, und dachten lange, wir kriegen das alleine wieder hin.“

Das Theater half sich lange selbst

Angst davor, den Gürtel enger zu schnallen, hat man im Theater der Altstadt nämlich nicht. Geld, um zum Beispiel Maskenbildner oder Reinigungspersonal anzustellen, fehlt dort seit Jahren. „Wir mussten uns immer wieder mit Flickschustereien helfen“, erzählt Heydenreich. Auch das Gebäude, ein ehemaliges Kino, ist für den Theaterbetrieb nur teilweise geeignet: Die Kellerräume zum Beispiel, in denen sich verschiedene Garderoben befinden, können einzig durch ein undichtes Fenster gelüftet werden. Zudem gibt es auf dieser Ebene nur eine Toilette für alle Mitarbeiter. „Und auch unsere Gagen sind nicht mehr wettbewerbsfähig“, statuiert Heydenreich. 160 Euro kann sie ihren Schauspielern pro gespielter Aufführung zahlen. Dazu kommt eine Probenpauschale von 800 Euro. „Die meisten müssen nebenher noch woanders arbeiten.“

Trotz guter Auslastung – 2018 lag sie dank 23 400 Zuschauern durchschnittlich bei 66 Prozent – kann das Theater sich aus eigener Kraft nun nicht mehr finanzieren. Doch einen Antrag auf eine Förderungserhöhung im Jahr 2019 zu stellen, hat es dennoch verpasst. „Das kann man uns vorwerfen“, gibt Schmid zu.

Positives Feedback aus dem Gemeinderat

Im Gemeinderat jedoch hält man Schmid, Heydenreich und Co. ihren Kampfgeist zugute. „Es ist ehrenwert, dass sie so lange versucht haben, sich alleine über Wasser zu halten“, sagt Jürgen Sauer, kulturpolitischer Sprecher der dortigen CDU-Fraktion. Dennoch: „Das Theater der Altstadt steht finanziell am Abgrund.“ Deshalb hat die Fraktion nun einen Antrag eingebracht, durch den sie die Situation gemeinsam mit der Kulturverwaltung prüfen und Maßnahmen ausarbeiten möchte. Konkret spricht Sauer dabei von einem einmaligen Sonderzuschuss der Stadt, um das finanzielle Minus 2019 auszugleichen.

Für die Haushaltsplanung 2020 soll anschließend ein regulärer Antrag auf Erhöhung der Förderung gestellt werden. „70 000 Euro mehr pro Jahr“, wünscht sich Heydenreich – einen Betrag, den Sauer als durchaus realistisch einstuft. Mit dieser Sicherheit im Rücken könne sie ihre Gagen anpassen und wieder Stücke spielen, die sie primär als Künstlerin umsetzen möchte. Momentan gehe es oft vor allem um den Erhalt von Arbeitsplätzen. „Aber auch das ist manchmal eben eine notwendige, ehrenwerte Aufgabe“, sagt Heydenreich.