Wenn die Besucher am Mittwoch bei Radio Fips das letzte Konzert der Jazz-IG in diesem Jahr hören, wissen sie nicht, dass es ein Abschied für immer hätte werden können. Denn die Konzertmacher brauchen mal wieder ein neues Domizil .

Göppingen - Irgendwie passt die erzwungene Umzieherei ja zum Klischee vom unsteten Musikerleben: Jahrelang hat die Jazz-IG ihre Konzerte im Molokko veranstaltet, doch dann machte das Café dicht und die Musiker mussten raus. Seither konnten sie in keinem neuen Unterschlupf lange bleiben: Sie zogen ins Café Dolce, dann in den Club Bambule, danach in die Stadtkirche – und mit ihnen die Besucher, die abwechslungsreiche Musik mit Gruppen aus ganz Deutschland und darüber hinaus zu schätzen wissen. Seit einigen Wochen kommen die Jazzfans jeden Mittwoch ins Kreismedienzentrum hinter dem Landratsamt. Auf der Bühne des freien Radiosenders Fips im Keller hat die Jazz-IG ihren Flügel, das Schlagzeug und was man sonst noch so alles braucht stehen – allerdings nicht mehr lange. Denn aus Sicht der Stadt verstoßen die Räume gegen die Brandschutzvorschriften für Veranstaltungen.

 

Obwohl Göppingen mit der Stadthalle, dem Alten E-Werk und der Chapel im Stauferpark sowie kleineren Räumen, wie dem Farrenstall in Faurndau, einiges an Veranstaltungsorten vorweisen kann, sind Kulturschaffende immer wieder verzweifelt auf der Suche, nach einem für sie geeigneten Domizil, manchmal jahrelang. Die Jazz-IG etwa ist zwar erneut fündig geworden. Sie darf dank der Fürsprache der Ersten Bürgermeisterin Almut Cobet von Januar an ihre Mittwochskonzerte im Zimmertheater im Haus Illig veranstalten. Doch auch diese Lösung ist nicht von Dauer. Denn das Gebäude soll in der zweiten Jahreshälfte saniert werden. Für die Jazz-IG steht dann der nächste Umzug an. Wohin, ist noch offen.

Die bisherigen Hoffnungen haben sich stets zerschlagen

Lange Zeit hatten viele, darunter auch die Jazz-IG, ihre Hoffnungen auf das alte Zollamt gesetzt. Sie träumten von einer Jazz- und Kulturkneipe mit Bühne, sobald der Zoll ausgezogen wäre. Doch der Zoll rührt sich seit Jahren nicht vom Fleck. Dann keimte die Hoffnung, man könnte auf dem Boehringer-Areal, dass die Stadt zurzeit neu entwickelt, Kultur und Industrie gemeinsam voranbringen. Die Erste Bürgermeisterin Almut Cobet und auch viele Stadträte aus den Reihen der SPD und der Grünen machten sich dafür stark. Aber mittlerweile ist klar, dass die Alte Gießerei, die lange als Standort für Kultur und Gastronomie im Gespräch war, allein für Gewerbe genutzt werden wird.

Gerade als die Kulturszene sich von dem Gedanken verabschiedete, sie könne jemals von der Neugestaltung des Boehringer-Areals profitieren, scheint sich jetzt eine neue Chance aufzutun. Denn zum Glück für die Szene scheinen die Mitglieder des Technikforums sehr daran interessiert zu sein, mit Kulturschaffenden mehr Leben in ihre Ausstellungsräume auf dem Boehringer-Areal zu bringen.

Die Stadt hatte sich im Sommer mit dem Technikforum darauf geeinigt, dessen bisherige Räume in einer alten Maschinenhalle um eine weitere Halle zu erweitern. Der Verein soll so die Möglichkeit bekommen, seine Sammlung historischer Maschinen in einem ansprechenden Ambiente zu präsentieren. Er wird künftig statt bisher 340 Quadratmeter rund 590 Quadratmeter zur Verfügung haben. Das Konzept, wie diese Räume im Einzelnen genutzt werden und wo Kulturveranstaltungen integriert werden können, steckt aber noch in den Kinderschuhen, berichten Insider. Im kommenden Jahr wollen sich Mitglieder des Technikforums und Kulturmacher erstmals zusammensetzen.

Das größte Problem ist gelöst: Es gibt eine Sondererlaubnis für den Ausschank

Zunächst steht an diesem Mittwoch aber das letzte Konzert der Jazz-IG bei Radio Fips an. Mit den Illigs, der Lehrerband der Musikschule, sowie der Sängerin Mareike Nickel, ist so etwas wie das musikalische Herz der Jazz-IG auf der Bühne versammelt: Gestandene Musiker, die alle schon lange in Göppingen unterrichten, und immer wieder zusammen Musik machen. „Das Konzert ist eine Herzensangelegenheit für mich“, sagt etwa Mareike Nickel, die trotz ihrer großen Fangemeinde nur noch selten auf der Bühne zu hören ist, weil sie sich fast völlig dem Unterrichten verschrieben hat. „Aber an diesem Abend geht es ganz um die Musik, um ausdrucksstarke Titel von ausdrucksstarken Künstlern.“ Die Besucher erwarten Stücke unterschiedlichster Musiker – von Sting über Vaya con Dios und Joe Cocker bis hin zu Jamie Cullum und Aretha Franklin.

Am 9. Januar geht es dann im Haus Illig, Friedrich-Ebert-Straße 2, weiter. Von 21 Uhr an steht der Pianist und Jazz-IG-Vorsitzende Hartmut Zeller mit Matthias Auchter (Saxophon), Dieter Fischer (Bass) und Rudi Mayer (Drums) bei einer Open Stage auf der Bühne, bevor die nächsten Bands aus dem ganzen Land anreisen. Wer sich traut, zum Thema Real-Book-Charts mit zu improvisieren, sollte sein Instrument mitnehmen.

Auch wenn ihre Zeit im Haus Illig begrenzt ist und die Zukunft ungewiss, freuen sich die Musiker Zeller zufolge schon auf die Licht- und Musikanlage, die im Zimmertheater fest installiert ist. „Wir müssen in Zukunft viel weniger Zubehör durch die Gegend schleppen“, sagt er. Auch das Problem, dass es in dem Gebäude der Jugendmusikschule eigentlich keinen Ausschank gibt, ist gelöst: Die Jazz-IG hat eine Sondererlaubnis von der Stadt erhalten, damit das Kneipenfeeling erhalten bleibt.