Baden-Württembergs Kultusminister Stoch zeigt sich vor Beginn des neuen Schuljahrs zuversichtlich: Die Krankheitsreserve sei aufgestockt, der Pflichtunterricht gesichert. Das gehe jedoch zu Lasten von Zusatzangeboten.

Stuttgart - Die Schülerzahlen sinken, Lehrerstellen müssen abgebaut werden, neue Aufgaben kommen auf die Schulen zu. Angesichts dieser Ausgangslage sei es in den Ferien recht ruhig geblieben, findet Kultusminister Andreas Stoch (SPD) und folgert, dass die Schulen mit der Versorgung für das am Montag beginnende neue Schuljahr im Grunde zufrieden seien.

 

Der Pflichtunterricht sei gesichert, verspricht der Minister, der Ergänzungsbereich sei etwas zurückgefahren worden. Jedoch sei die individuelle Förderung, die bisher dem Ergänzungsbereich zugeordnet war, nun weitgehend Teil des Pflichtunterrichts. Damit könne sie nicht mehr so leicht gestrichen werden, beispielsweise, um Lücken in der Vertretung zu schließen.

So wird jetzt die Unterstützung von Grundschülern mit Lese-Rechtschreib-Schwäche Teil des Pflichtunterrichts. Es sei falsch gewesen, diese Kurse dem Ergänzungsbereich zuzuordnen, sagte Stoch. „Diese Förderung gehört zum Kernbereich dessen, was die Grundschule leisten soll.“

Keine Poolstunden zu Lasten anderer Schularten

Um die individuelle Förderung an Grundschulen hatte es in den Sommerferien durchaus Diskussionen gegeben. Edith Sitzmann, die Fraktionschefin der Grünen, hatte in der StZ angeregt, auch Grundschulen eine sogenannte Poolstunde, eine Wochenstunde zur freien Verfügung, zuzuweisen. Grundschulen sind die einzige Schulart ohne Poolstunden. Er könne sich das sehr gut vorstellen, sagte Stoch. Doch würden dafür 650 Lehrerstellen benötigt. Die Grünen ermahnte er, sie könnten nicht „abstrakt immer höhere Sparmaßnahmen fordern und auf der anderen Seite Gutsle verteilen. Dieses Spiel mache ich nicht mit.“ Er nehme Sitzmanns Äußerungen als Angebot und betonte, „dafür sind zusätzliche Mittel nötig, die Poolstunde darf nicht zu Lasten anderer Schularten gehen“. Das sieht auch die GEW so.

Gemeinschaftsschulen wachsen

Am Montag gehen 87 weitere Gemeinschaftsschulen an den Start, damit erhöht sich die Gesamtzahl auf 129. Die Akzeptanz sei erfreulich. Die dritte Runde der Antragstellung soll bereits Teil der regionalen Schulentwicklung werden. Man wolle keine Konkurrenzsituationen entstehen lassen, sagte Stoch. Er warnte davor, zu kleine Schulen umzuwidmen. „Niemand hat ein Interesse an Gemeinschaftsschulen, die langfristig nicht überlebensfähig sind.“

Stochs insgesamt positive Einschätzung der Situation für das kommende Schuljahr teilt die Opposition erwartungsgemäß nicht. Die CDU beklagt, die Verbesserungen im Pflichtbereich zu Gunsten von Differenzierungsangeboten ließen auf sich warten, damit seien Förderangebote faktisch gekürzt worden. Die FDP sieht die Qualität des Schulwesens durch die Kürzungen durchaus beeinträchtigt. Hans-Ulrich Rülke beklagt „ein in dieser Form noch nicht erlebtes Stimmungstief an den Schulen“. Die Gemeinschaftsschulen seien nach wie vor unzureichend vorbereitet.

Grund- und Hauptschullehrer enttäuscht

Enttäuscht zeigt sich der Verband Bildung und Erziehung (VBE). Gute Schule sei mehr als nur das Abdecken des Pflichtunterrichts. Viele Schulen hätten keine Arbeitsgemeinschaften und keine Stütz- und Förderkurse mehr. Die Aufstockung der Krankheitsreserve hätten die Lehrer durch den Verzicht auf Anrechnungsstunden selbst erwirtschaften müssen.

Der Berufsschullehrerverband empört sich wie vor ihm die GEW über eine mögliche Kürzung der Altersermäßigung und nennt sie ein Sonderopfer. „Das ist mit uns nicht zu machen.“ Stoch will überprüfen, ob die Altersermäßigung „als Mittel der Gesundheitsvorsorge funktioniert“. Er brachte auch die Gleichbehandlung aller Beamten ins Spiel. Jedoch sei man noch nicht am Ende der Gespräche. Stoch will Alternativen prüfen und alles vermeiden, „was Lehrern den Eindruck vermittelt, man würde sie nicht wertschätzen“.

Probelauf für Bildungspläne

60 Schulen werden in diesem Jahr die neuen Bildungspläne erproben, die in zwei Jahren in Kraft treten sollen. Erstmals gibt es Bildungspläne für die neue Gemeinschaftsschule. Getestet wird an Grundschulen sowie in den Klassen fünf und sechs.

Die Nachfrage nach Plätzen steigt laut Ministerium stetig. Sie zählen jetzt 70 Prozent mehr Schüler als vor zehn Jahren. Das Ministerium baut die Profile Internationale Wirtschaft, Umwelttechnik und Gesundheit im neuen Schuljahr weiter aus. Kultusminister Stoch will aber an der Notenhürde 3,0 als Zugangsvoraussetzung festhalten. „Wir müssen nicht jeden Richtung Hochschulzugangsberechtigung schieben“, sagte er. Zumal das Land stets die Bedeutung der dualen Ausbildung unterstreiche