Der baden-württembergische Kultusminister Andreas Stoch ist vielversprechend gestartet. Die ersten Hürden muss der SPD-Mann aber noch nehmen. Die entscheidende Bewährungsprobe steht dem 43 Jahre alten Minister erst noch bevor.

Stuttgart - Der Heidenheimer Jungabgeordnete Andreas Stoch steckt mitten in der vermutlich entscheidenden Bewährungsprobe seines politischen Lebens. Vor gerade mal vier Jahren zog er für die SPD in den Landtag ein, seit 100 Tagen ist Stoch Kultusminister, er löste am 23. Januar die glücklose Gabriele Warminski-Leitheußer (SPD) ab. Der 43 Jahre alte einstige Hobbybasketballtrainer ist geradezu verpflichtet, die grün-roten Bildungsreformen zum Erfolg zu führen, auch wenn er kein Bildungspolitiker ist. Auf dem zentralen Feld der Landespolitik hat das SPD-geführte Ministerium in den ersten zwei Jahren keine Punkte gesammelt. Jetzt erwartet die gesamte Koalition vom eingewechselten Minister verzweifelt Erfolge.

 

Verlieren ist für den Nothelfer der Koalition schlicht nicht vorgesehen. Ein Scheitern der Bildungsreform wäre ein Desaster für die gesamte Regierung. Im Erfolgsfall kann der ehrgeizige Jurist einiges gewinnen. „Er ist klug genug, nicht in die Falle zu tappen, sich als künftiger Spitzenkandidat der SPD aufzuplustern“, raunt ein Ministerkollege. Doch könnte der 43 Jahre alte smarte Stoch durchaus zum Konkurrenten des vergleichsweise spröden Parteichefs Nils Schmid werden, sollte die Landes-SPD in Turbulenzen geraten.

Der Kultusminister muss sich erst noch beweisen

Dazu muss sich Stoch allerdings erst als Kultusminister beweisen. Sein Parteichef ist mit dem Start sehr zufrieden. „Es läuft genau so, wie wir uns das vorgestellt haben“, lobt Nils Schmid. Der Ministerpräsident zeigt sich erfreut: „Stoch geht entschlossen und systematisch an die Probleme heran“. Das wird auch nötig sein. Die Bildungspolitik stellt sich gegenwärtig vielen Beteiligten als ein Wirrwarr an Reformabsichten dar, in dem der rote Faden nicht erkennbar ist. Das Erbe ist nicht leicht, das konzedieren Stochs Verhandlungspartner von den Kommunen bis zu den Lehrerverbänden. 1000 Stellen muss der Minister in diesem Jahr einsparen, und das ist erst der Anfang. Dass ausgerechnet die Hausaufgabenbetreuung an Gymnasien dem Rotstift zum Opfer fiel, kreiden ihm die Gymnasiallehrer wie die Opposition an. Man könne nicht individuelle Förderung predigen, Kinder am Gymnasium zulassen, die die Grundschullehrer an den Realschulen besser aufgehoben sähen und dann ausgerechnet die Einzelförderung streichen.

Die konfliktträchtigste Herausforderung für den neuen Minister ist die regionale Schulentwicklung. Die Erwartungen an diese Planungen sind übergroß, zumal die Festlegungen seit Jahren überfällig sind. Es gilt zu entscheiden, welche Schulen in Zukunft Bestand haben sollen und welche keine Perspektive mehr haben. Dabei kann der Minister seinem eigenen Stabsstellenleiter ebenso ins Gehege kommen, wie seiner Landtagsfraktion, die ihn machtvoll ins Amt befördert hat.

Kritikern aus der Opposition aber auch aus den eigenen Koalitionsreihen zufolge hat die Stabsstelle schon zu viele zu kleine Gemeinschaftsschulen genehmigt, ehe die regionale Schulentwicklungsplanung greifen kann. Hier müsse Stoch Einhalt gebieten. Doch das Feld ist vermint. Auch der Stabsstellenleiter kann sich auf den Rückhalt der Fraktion berufen. Der grüne Koalitionspartner verlangt klare Schnitte und definierte Mindestgrößen. Wenn es darum geht, kleinen Hauptschulen die Zukunftsperspektive abzusprechen, kann Stoch aber mit Abgeordneten seiner eigenen Partei aneinandergeraten.

Der Minister wird Unterstützer brauchen

„Die Aufgabe ist schwer“, sagt Norbert Brugger, der Bildungsdezernent des Städtetages. Der Minister wird Helfer brauchen. Ob er sie hat und ob er sich durchsetzen kann, wird sich zeigen, wenn er wie versprochen, demnächst die Rahmenpläne vorlegen wird. Daran wird Stoch gemessen werden, „Das schlimmste wäre ein fauler Kompromiss“, warnt die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft.

Die regionale Schulentwicklung ist die höchste Hürde, die Stoch bevorsteht. Doch weitere hat er vor sich. In der Inklusion, dem gemeinsamen Unterricht von behinderten und nichtbehinderten Schülern, ist nichts vorangekommen, der gezielte Ausbau der Ganztagsbetreuung an Grundschulen steckt in den Kinderschuhen. Er hat noch nichts entschieden, mäkelt denn auch die Opposition und auch der Gemeindetag will nicht recht in die allgemeinen Vorschlusslorbeeren einstimmen, die Nagelprobe stehe noch aus. Doch kommt der Neue im Kultusministerium weitgehend gut an. Er habe sich rasch eingearbeitet, sei fleißig und intelligent, heißt es von allen Seiten. Die GEW-Vorsitzende Doro Moritz findet ihn freundlich, seine Parteifreundin, die Sozialministerin Katrin Altpeter, kennt ihn schon immer als „sachlich und angenehm“ und die Wissenschaftsministerin Theresia Bauer (Grüne) kommt nach eigenem Bekunden „hervorragend“ mit dem neuen Kultusminister klar. Dabei kann der pragmatische Freund von „Gute-Laune-Musik“ (zum Beispiel von „Seeed“) durchaus harsches Töne anschlagen. Georg Wacker, dem CDU-Bildungspolitiker, ist Stoch im Landtag durch „enorme Schärfe und Häme“ aufgefallen, „wenn seine Vorstellungen nicht sofort Beifall finden“ und damit steht Wacker nicht allein. In seinem Haus scheint Stoch den richtigen Ton zu treffen. Die Atmosphäre sei besser geworden, der Chef schätze die Mitarbeiter wert, verbreite Aufbruchstimmung, sagt man im gebeutelten Kultusministerium. Und demnächst seien jede Menge Entscheidungen zu erwarten.