Die Statistik des Kultusministeriums zeigt eine leichte Verbesserung der Unterrichtsversorgung. Die Eltern haben jedoch nichts davon bemerkt.

Stuttgart - An den Schulen des Landes ist imNovember geringfügig weniger Unterricht ausgefallen als im Juni 2018. Das geht aus der zweiten Vollerhebung des Kultusministeriums hervor. Alle 4500 Schulen in Baden-Württemberg haben sich laut Ministerium beteiligt. Am schlechtesten stehen die beruflichenSchulen da. Dort wurden 6,2 Prozent der Schulstunden nicht gehalten, das sind 0,2 Prozentpunkte mehr als fünf Monate vorher. Die Gymnasien haben sich gegenüber Juni verbessert. Im November fielen dort 4,9 Prozent des Unterrichts aus. Im Juni waren es noch 6,6 Prozent. Verbesserungen von 1,3 Prozent melden die drei Gesamtschulen im Land. An den anderen Schularten bewegen sich die Veränderungen im Bereich zwischen 0,7 und 0,2 Prozent. Sie alle stehen statistisch im November besser da als im Juni.

 

Michael Mattig-Gerlach, Vater von zwei Schulkindern im Stuttgart, entlockt die Erhebung nur ein Lachen. Nein, er habe nichts von Verbesserungen bemerkt, „im Gegenteil“, sagte er auf Anfrage. Aus Freiburg meldet der Vater eines Acht- und eines Zehnklässlers, es vergehe keine Woche, in der nicht vier bis fünf Schulstunden ausfielen, und die Mutter eines Gemeinschaftsschülers aus Stuttgart berichtet, „es gab in der achten Klasse in diesem Schuljahr noch keine einzige Woche, in der der Stundenplan komplett erfüllt wurde“. In Musik gebe es gar keine Noten, weil die Musiklehrerin komplett ausfalle.

Es sei auch kein Wunder, sagt Mattig-Gerlach, dass es keine Verbesserungen gebe, „ es gab ja keine Maßnahmen gegen den Unterrichtsausfall“. Vorschläge von Elternvertretern und der Gewerkschaften und Verbände würden im Ministerium nicht einmal diskutiert, klagt Mattig-Gerlach.

Eltern rechnen mit weiteren Verschlechterungen

Kathrin Grix vom Gesamtelternbeirat Stuttgart rechnet damit, dass es in den nächsten Wochen an den Schulen eher schlechter aussehen wird. „Im November, als die Erhebung gemacht wurde, gab es ja noch Vertretungslehrer“, sagte sie unserer Zeitung. Inzwischen sei nach Auskunft der Rektorin an ihrer Schule der Markt leer, und die Krankheitswellen stünden erst noch bevor.

Im November fielen 9,1 Prozent der für den Pflichtunterricht vorgesehenen Lehrer aus. Allerdings wurden 60 Prozent ihres Unterrichts vertreten. Am meisten, indem Klassen zusammengelegt wurden (24,4 Prozent). Vertretungslehrer übernahmen 20 Prozent. Aber auch durch Mehrarbeit anderer Lehrer wurden 23,8 Prozent aufgefangen. Das lobt Kultusministerin Susanne Eisenmann (CDU) ausdrücklich. Lehrer, die oft kurzfristig einsprängen, „verhindern mit großem Engagement, dass Unterricht ausfällt“, erklärte sie. Die Vertretungsquote von 60 Prozent nennt sie ordentlich. Doch will sie die Vertretungskonzepte der Schulen genauer unter die Lupe nehmen. „Wir möchten Hinweise darauf bekommen, wie Unterrichtsausfall künftig im Einzelnen noch besser aufgefangen werden kann.“ Zudem erwartet sie, dass „wir mit jeder Vollerhebung die Unterrichtsversorgung noch besser einschätzen und analysieren können“. Die nächsten Erhebungen sind im Februar und im Juni.

Die meisten Ausfälle wegen Krankheit

Die Verbesserungen gegenüber der Erhebung vom Juni erklärt Eisenmann selbst damit, dass im Juni viele Ausflüge und Klassenfahren stattfinden, im November dagegen nicht. Im Juni hielten außerunterrichtliche Veranstaltungen wie Schullandheime und Ausflüge 21,6 Prozent der Lehrer vom Unterricht ab, im November waren es 7,7 Prozent. Der wichtigste Grund für das Fehlen im November war mit 53,4 Prozent der Fälle Krankheit, in 16,7 Prozent waren es Fortbildungen.

Stefan Fulst-Blei, Bildungspolitiker der oppositionellen SPD, beklagt, „es fällt weiterhin zu viel Unterricht aus“. Auch würden die Zahlen für die Grundschulen die Realität „nicht im Ansatz“ widerspiegeln. Der Lehrkräftemangel an Grundschulen sei besonders akut, nur könnten die Kinder nicht einfach nach Hause geschickt werden. Den Befund teilt die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW). Die SPD verlangt, dass die Krankheitsreserve der Lehrer um mindestens 20 Prozent auf 2000 Stellen aufgestockt wird. Ähnlich äußert sich die GEW. Sie will, dass zu den derzeit 1666 Stellen jährlich 200 dazu kommen. Nötig sei eine mittel- und langfristige Lehrkräftebedarfsplanung, erklärt Doro Moritz, die GEW-Landesvorsitzende.

Gerhard Brand vom Verband Bildung und Erziehung (VBE) mahnt: „Die Daten liegen nun vor, das Ministerium muss nun Lösungen anbieten.“