Bei zwei Kundgebungen in der Innenstadt vertreten Pulse of Europe und die Initiative Ukraine die Forderung nach weiteren Waffen und andere Gruppen einen Waffenstillstand und Verhandlungen.
Es jährt sich zum zweiten Mal, dass die russische Armee die Ukraine überfiel. Seither sterben hunderttausende Menschen, Soldaten auf beiden Seiten, Zivilisten in der Ukraine, es herrschen Leid, Angst und Zerstörung. Bei den beiden Kundgebungen anlässlich dieses Jahrestages am Samstag in der Innenstadt stießen Welten und Überzeugungen aufeinander: Mit der Forderung nach Waffenstillstand und Verhandlungen ohne weitere Waffenlieferungen die Linke, Pax Christi und andere Organisationen am Schlossplatz. Und mit dem Bekenntnis zur ungebrochenen Solidarität und militärischen Unterstützung ein paar Meter weiter am Stauffenbergplatz Pulse of Europe zusammen mit der Initiative Ukraine.
„Taurus jetzt“ und „Save Ukraine“ skandieren die Kinder, Jugendlichen, Männer und Frauen, alle aus der Ukraine stammend und in die Farben der ukrainischen Flagge gehüllt, die vom Rotebühlplatz zum Stauffenbergplatz gezogen sind. „Heute ist ein schwerer Tag für uns“, klagt Ulyana Wetzler von der Initiative Ukraine vor etwa tausend Demonstranten. Nach zwei Jahren der Angst und des Schmerzes hätten sie und alle ihre Landsleute verstanden, „dass wir kämpfen müssen und werden für unser Land, für die Freiheit und Unabhängigkeit“. Man sei entschlossen durchzuhalten, auch für Europa: „Nur Seite an Seite können wir gewinnen.“
„Wir stehen an Eurer Seite“, versichert Sebastian Hoch von Pulse of Europe und beteuert: „Mit Waffen, auch mit den Marschflugkörpern vom Typ Taurus, und wenn es sein muss, auf Jahre hinaus. Für die Freiheit der Ukraine.“ Für Putin, so Hoch, müsse die Endstation Den Haag sein, um ihn für seine Verbrechen zur Rechenschaft zu ziehen. „Taurus jetzt“, wiederholt auch Olga Garaschuk, Professorin in Tübingen und Vorsitzende der Deutsch-Ukrainischen Gesellschaft, die Forderung nach der effektiveren Waffe. Denn die Achse des Bösen, als dessen Inbegriff Putin gilt, drehe sich immer schneller, und nur mit einer breiten Unterstützung lasse sich die „Metastasierung des Bösen“ stoppen.
Mörseburg für weitere Unterstützung
Wie dringend diese weitere Unterstützung gebraucht wird, macht der Stuttgarter Bundestagsabgeordnete Maximilian Mörseburg klar: Die aktuellen Meldungen vom Kriegsgeschehen seien alarmierend, denn die ukrainischen Truppen hätten akuten Munitionsmangel. „Sie feuern am Tag 2000 Granaten ab, die Russen dagegen 10 000.“ Seine Fraktion CDU/CSU habe den Antrag eingebracht, explizit Taurus zu liefern, aber bisher keine Mehrheit dafür erreicht: „Wir hoffen auf Einsicht, denn es gibt keinen Grund, Taurus nicht zu liefern.“
Auch mit neuen und immer stärkeren Waffen sei ein Sieg in diesem Krieg nicht zu erreichen, war der Tenor bei der Demonstration unter dem Motto „Stoppt das Töten in der Ukraine – für Waffenstillstand und Verhandlungen. 15 leere Stühle mit Namensschildern von einem Yurji, Maxim, Ilja, Vladimir oder einer Maria und Anastasia symbolisierten russische Kriegsdienstverweigerer und Deserteure, die in Deutschland Asyl suchen. Nur ein Bruchteil bekomme Asyl, prangert ein Redner an. Angesprochen wurde die atomare Gewaltandrohung, die in der Forderung eines deutschen Politikers nach Nuklearwaffen für die Bundesrepublik gipfele. Und Johanna Tiarks, für die Linke und die Fraktion im Stuttgarter Gemeinderat, macht klar, dass die Waffenindustrie die einzige Gewinnerin in diesem Krieg sei. Es sei sicher nicht einfach, in Putin einen Dialogpartner zu sehen, aber man müsse sich um Diplomatie und Verhandlung bemühen, statt weiter Waffen zu liefern und das Töten zu verlängern.
„Auch wir Christen fragen sei Anfang des Krieges, ob es recht ist, sich für Waffenlieferungen an die Ukraine einzusetzen“, gibt der evangelische Stadtdekan Sören Schwesig bei Pulse of Europe vor den Ukrainern Einblick in Gewissensfragen. Um eindeutig Stellung zu nehmen und Solidarität zu bekunden: „Ich sage deutlich Ja zur Lieferung von Waffen an die Ukraine, es ist eine ultima ratio christlichen Handelns.“ Das Anliegen der Ukraine, sich mit allen Kräften gegen das menschenverachtende Regime Putins zu wehren, sei berechtigt. „Stehen wir ein für ein freies Europa“, appelliert auch der Theologe, im Juli zu den Europawahlen zu gehen, um Rechtsextremisten und anderen Feinden Europas eine Absage zu erteilen.