Für ihren Sitzungssaal im Bundestag lässt sich die AfD einen Bilderzyklus zur Demokratie zeichnen. Die Bundesrepublik und das Grundgesetz gehören nicht dazu.

Berlin - Melanie Tietjen aus Duisburg ist Porträtzeichnerin. Oft bildet sie glückliche Paare ab oder Neugeborene oder auch die Haustiere ihrer Kunden, meist mit Graphitstift auf Papier. Man kann sie beauftragen, ihr ein Foto zu schicken, und sie legt los. Stets geht es ihr darum, den „Realismus so weit wie möglich zu Papier bringen“.

 

Kürzlich hatte sie einen Kunden, der genau mitreden wollte. Intensiv und auch spät am Abend habe man telefoniert, stundenlang, Mails hin und hergeschickt, die Motive genau besprochen, sagt Christoph Neumann am Dienstag in Berlin. Es sollte offenkundig nichts dem Zufall überlassen bleiben bei diesem Werk.

Neumann ist Bundestagsabgeordneter der AfD, Geschichte ist sein Hobby, und damit hat es auch zu tun, dass er als Emissär der Fraktion den Kontakt mit der Zeichnerin führte. Denn Kunst sollte in den Fraktionssaal, aber nicht irgendwelche, sondern eine mit Bedeutung. Nach intensiven Beratungen des Arbeitskreises Geschichte und Wiedervorlage in der Fraktion stand dann fest, was an die Wand sollte. In sieben Stationen habe man „die wichtigsten Stationen der deutschen Demokratie“ zeigen wollen, so Neumann. Die hängen jetzt als Schwarzweiß-Zyklus in dem in grauen Tönen gehaltenen Saal. Sie zeigen Szenen wie das Wartburg- und das Hambacher Fest, die Nationalversammlung der Paulskirche und die Reichsgründung. Schwarz-Rot-Golden koloriert sind Fahnen, Schärpen, Uniformteile. Nicht alles ist historisch vollkommen bis ins Letzte korrekt oder verbrieft, aber frei ist ja die Kunst, die Geschichte im Zweifel ein ganz winzig kleines bisschen anzupassen.

Eine Lücke zwischen Weimar und Wiedervereinigung

In Tietjens Zyklus klafft außerdem eine Zeitlücke, sie reicht von der Weimarer Verfassung von 1919 bis zu einer Zeichnung zur Wiedervereinigung von 1990. Im abgebildeten Deutschland geschieht in dieser Zeit demnach nichts von Belang für die Demokratie.

Wie kam es, dass die Fraktion die Verkündung des Grundgesetzes 1949 nicht für bemerkenswert genug hielt, hier Eingang zu finden, im Parlament? Der Abgeordnete Götz Frömming, lange Zeit Geschichtslehrer, sagt, es sei um zentrale Ereignisse der „Verfassungs- und Einheitsgeschichte“ gegangen. Es sei ja klar, dass die Verfassung von 1949 eine Rolle spiele, zumal sie wichtige Rechte aus der Paulskirchenversammlung enthalte. Aber die Gründung der Bundesrepublik sei nun mal kein Massenereignis gewesen. Zudem: „Es war nur ein Teil unseres Volkes dabei.“ Man kann darüber vermutlich streiten. Aber man man kann es auch lassen.

Die AfD-Fraktion wiederum diskutiert gerade anderes – zum Beispiel dass sie gerne ein Schild mit dem Namen „Paulskirchensaal“ vorne an ihrer Türe anbringen würde. Die Bundestagsverwaltung lehne das ab, weil die Säle bisher nach Personen benannt seien und nicht nach Orten. Da wittert der parlamentarische Geschäftsführer Bernd Baumann eine Ungleichbehandlung und sieht sich ausgegrenzt. Eine Entscheidung gibt es aber in der Sache noch gar nicht. Ein Sprecher der Bundestagsverwaltung erklärt, die Frage müsse „unter den Fraktionen geklärt werden“. In der Zwischenzeit will die AfD nicht auf den Namen verzichten. „Saal Paulskirche“ steht nun auf einem Schild im Inneren des Sitzungsraums.