Wer in einem Yoga-Studio übt, sieht sich meist umgeben von Buddhas, Lotosblüten und Räucherstäbchen. Ist das mehr als lediglich pittoreskes Beiwerk, hat sich Julia Wenz gefragt – und eine persönliche Sicht auf Yoga entwickelt.

Nachrichtenzentrale : Lukas Jenkner (loj)

S-West - Auf den ersten Blick ist das alles ein bisschen irritierend: Abgenutzte Matten, auf den Körper gemalte Arterien, schließlich der von der Polizei abgesperrte Schauplatz eines Verbrechens – was die Künstlerin Julia Wenz in ihrem Atelier im Stuttgarter Westen als ihre Sicht auf Yoga entwickelt hat, scheint so gar nichts zu tun zu haben mit der Einheit von Geist und Körper, Harmonie und Hingabe, die gemeinhin mit der indischen Weisheits- und Körperlehre verbunden werden. Auf den zwölf Motiven, die Julia Wenz zu einem Kalender gebunden hat, sind Yoga und die Menschen, die ihn üben, zunächst einmal sehr zerbrechliche Gebilde.

 

Das hat damit zu tun, dass Julia Wenz’ Weg zum Yoga schmerzhaft war. Ein doppelter Bandscheibenvorfall hatte sie niedergeworfen. Nachdem sie wieder aufrecht gehen konnte, lernte sie auf einer Vernissage die Yogalehrerin Eva Weinmann kennen. In deren Yoga-Raum „Fuß über Kopf“, ebenfalls in Stuttgart-West, ist sie nach einer kleinen Odyssee durch die Studios dieser Stadt seit zwei Jahren treue Schülerin – und frei von Beschwerden. „Ich kann wieder durchs Atelier robben“, sagt Julia Wenz mit einem Augenzwinkern.

Die meisten Übenden sind nicht schön und hyperflexibel

Weil sie ein visueller Mensch ist, hat Wenz bei ihrer Tour durch die Yogaszene sehr bewusst wahrgenommen, was dort zu sehen ist: häufig deplatzierte Buddhas, Lotosblüten, Räucherstäbchen und Fotos von makellosen Menschen in perfekten Posen. „Aber das, was Yoga für mich ist, wird gar nicht dargestellt“, sagt sie. Eigentlich gehe es im Yoga doch um die Zerbrechlichkeit des Körpers und der Gedanken. Der Großteil der Menschen, der auf der Matte übe, sei eben nicht so schön und flexibel wie das Unterwäschemodell Miranda Kerr oder der Schauspieler Ralf Bauer. Deshalb hat Julia Wenz aufmerksam zugeschaut, sich Notizen gemacht und Skizzen angefertigt. Ihr Ziel: Eine eigene Bildsprache zu entwickeln, mit der sie zum Ausdruck bringen kann, was Yoga ihr bedeutet.

Entstanden sind Collagen aus Landschaften, Räumen, Böden, Alltagsmotiven, Symbolen und Chiffren. Das Foto einer abgenutzten Yogamatte hat Wenz mit der floralen Ornamentik einer Tapete unterlegt, auf einem anderen Foto lenken spitzwinklige Dreiecke den Blick auf die im übermäßig praktizierten Yoga so gefährdete Achillesferse eines Übenden. Auf dem Novemberfoto hat Wenz die Ruheposition nach der Praxis, auf Sanskrit Shavasana, die Totenstellung, genannt, zum Schauplatz eines Verbrechens umgestaltet. Der Übende wird von einer Decke nicht nur bis zur Brust, sondern bis über den Kopf verdeckt und quer über das Motiv klebt der aus amerikanischen Krimis bekannte gelb-schwarze Schriftzug „Crime scene – do not cross“. „Mal ganz ehrlich“, sagt Julia Wenz: „In den meisten Köpfen rotieren doch auch am Ende einer Stunde die Gedanken.“ Den Krimi im Kopf nennt die Künstlerin dies.

Kalender mit Yoga-Motiven kann erworben werden

Die gesamte Mappe hat Wenz „Relaexpectations“ betitelt, das Wort eine künstliche Verbindung aus Relax und Expectations. Entspannen und Erwartungen – letztlich sei dies ein Widerspruch, sagt sie, weil Entspannung nicht erzwungen werden, sondern sich nur einstellen könne. Sie zu erwarten, erzeuge sogleich das Gegenteil – Spannung. Yoga ist dann vielleicht eine innere Haltung, in der die Auflösung des Krimis im Kopf nicht mehr interessiert.

Die 41-jährige Julia Wenz hat Visuelle Kommunikation an der Fachhochschule Düsseldorf sowie Freie Grafik und Malerei an der Staatlichen Akademie der Bildenden Künste Stuttgart studiert. Sie hat eine Reihe von Stipendien bekommen und stellt seit 2006 häufig alleine, aber auch in Gruppen aus. „Wenn ich eine Botschaft habe, suche ich anschließend das richtige Medium dafür“, erklärt sie die Vielseitigkeit ihrer künstlerischen Mittel. Mehr über Julia Wenz steht im Internet unter www.juliawenz.de.