Im neuen Teil der Klingenbachanlage im Stuttgarter Osten steht jetzt eine Kuhherde – einst von dem Künstler Otto Baum für den Schlachthof geschaffen.

S-Ost - Die Landeshauptstadt hat ihre Kuhherde wieder. Sie steht seit kurzem in der unteren Klingenbachanlage, die gerade zu einer neuen Grünanlage umgestaltet wird, und ist von der Talstraße aus gut zu sehen. Und sie hat es richtig in sich: Sie ist viele Tonnen schwer, 2,50 Meter hoch, 8,50 Meter lang – und aus Beton. Geschaffen hat sie der 1977 verstorbene Bildhauer Otto Baum. Nach vielen Jahren in unzugänglichen Lagerräumen ist das Kunstwerk, das einst die Fassade des Stuttgarter Schlachthofs schmückte, jetzt wieder für die Öffentlichkeit sichtbar.

 

Die Erweiterung der Klingenbachanlage ist die Rettung der Herde gewesen. Die Geschichte der steinernen Kühe beginnt in den Jahren 1957 und 1958, als Otto Baum das immerhin fast 20 Quadratmeter große Relief für das Kühlhaus des ehemaligen Schlachthofs ganz in der Nähe des heutigen Standorts schuf. Baum, der im Jahr 1900 in Leonberg geboren wurde, hatte an der Württembergischen Akademie der bildenden Künste in Stuttgart studiert und vor dem Zweiten Weltkrieg als freischaffender Bildhauer gearbeitet. Die Nationalsozialisten verboten ihm zunächst Ausstellungen, bezeichneten seine Kunst später als „entartet“, von 1942 an durfte er nicht mehr als Künstler arbeiten.

Seit 1998 eingelagert

Nach dem Krieg wurde Baum in den Planungsausschuss zur Neuorganisation der Kunstakademie berufen, von 1946 bis zu seinem Ruhestand im Jahr 1965 leitete er die Bildhauerklasse. In dieser Zeit entstanden einige Kunstwerke, die auch heute noch im öffentlichen Raum zu sehen sind, so etwa das ebenfalls tonnenschwere Mahnmal im Hof der Cotta-Schule in Stuttgart-Ost oder eben die Kuhherde.

Im Jahr 1998 wurden der Stuttgarter Schlachthof und damit auch das Kühlhaus abgerissen. Das Kunstwerk sollte allerdings gerettet werden, was das Abrissunternehmen vor eine echte Herausforderung stellte. Erst mussten die Arbeiter das komplette Fassadenstück samt Kunst mit Diamantsägen herausschneiden, dann entfernten sie die Mauerreste vom Relief. Anschließend verschwand die Kuhherde bis auf weiteres in entsprechend dimensionierten Lagerräumen der Stadt.

350 000 Euro für die Grünanlage

Da aber auch solche Lager nur eine begrenzte Kapazität haben, drohte der Herde zuletzt sozusagen die Bauschutt-Recyclinganlage. Da kam die Umgestaltung des bis dahin völlig verwilderten Bereichs des sogenannten Unteren Klingenbachs genau zur richtigen Zeit. Und als der Bezirksbeirat die Betonkühe in einem Beschluss willkommen hieß, war die Herde gerettet.

Die Wildnis in dem Bereich zwischen Landhaus- und Talstraße, unterhalb der Kleingärten, wurde in den vergangenen Wochen in eine Parkanlage verwandelt. Wiese, Büsche und Bäume müssen zwar noch wachsen und grün werden, aber Wege, ein kleiner Platz und eine Hangrutsche sind bereits angelegt und montiert. Vor wenigen Tagen wurde die Kuhherde an ihren neuen Standort gehievt. Jetzt fehlen noch die Geräte, die junge und alte Parkbenutzer gleichermaßen zum Sich-Bewegen animieren sollen, dann ist der neue Parkteil fertig. Er hat rund 350 000 Euro gekostet und ist aus den Mitteln des Bund-Länder-Sanierungsprogramms finanziert worden.

Die Verbindung zur oberen Klingenbachanlage mit Biergarten, weiten Rasenflächen und Spielplatz auf der anderen Seite der Landhausstraße erfolgt über einen Fußweg durch die Kleingärten. Die Besitzer dieser Gärten sind über den neuen Parkteil wegen des damit verbundenen Passantenstroms an ihren Gärten vorbei nicht sehr glücklich, wie sie unter anderem am Runden Tisch Gaisburg zu verstehen gaben. Künftig darf das Tor zum Verbindungsweg an der Talstraße nicht mehr abgeschlossen werden. Der neue Parkteil soll in einigen Wochen eingeweiht werden.