Friedrich Zirm kann weder Arme noch Beine bewegen. trotzdem stellt er großformatige Bilder her. Den Kohlestift führt der Künstler mit dem Mund über das Papier. Seine Werke sind nun in der Galerie Kunstraum 5 zu sehen.

Bad Cannstatt - Sind es zwei verliebte schwarze Riesenschnauzer, die sich tief in die Augen schauen? Oder doch zwei ältere Herren mit Baskenmütze, die sich über die Partie Boule unterhalten, die sie gerade ausgetragen haben? Das überlässt Friedrich Zirm dem Betrachter. „Jede Wahrnehmungsform hat einen emotionalen Widerschein im Betrachter“, sagt der Künstler. „Wenn ein Mensch ein Bild betrachtet, kann er es nur erkennen, wenn er ein entsprechendes Spiegelbild in sich trägt.“

 

Dass es sich bei der Zeichnung um zwei miteinander interagierende Figuren handelt, daran lässt Zirm aber keinen Zweifel. „Meine Inspiration kommt vom Menschen und von Menschen, die kommunizieren.“ Inspiration findet Zirm überall dort, wo Menschen aufeinander treffen – zum Beispiel am Schlossplatz oder in einer seiner Lieblingsbars in der Stuttgarter Innenstadt.

Eine spezielle Staffelei ermöglicht dem Künstler zu arbeiten

Dass er dort überhaupt hingeht, ist allerdings alles andere als selbstverständlich. Friedrich Zirm sitzt im Rollstuhl. Er kann weder Arme noch Beine bewegen. Im Alltag ist er permanent auf Unterstützung angewiesen – sogar beim Zeichnen. Möglich wird dies nur durch eine spezielle Konstruktion: Eine spezielle Staffelei wird anstelle der Armlehnen am Rollstuhl angebracht. Die Korkplatte, auf der das Papier befestigt wird, ist seitlich und in der Höhe verschiebbar. Friedrich Zirm malt ausschließlich mit einem Stift, den er mit dem Mund über das Papier führt. Die Fähigkeit, sich auf diese Art und Weise mit dem Mund auszudrücken, verdankt Zirm seiner Kunstlehrerin an der Waldorfschule. Sie sei einfach pragmatisch gewesen und habe gesagt: „Wenn die Hände nicht gehen, nimmst du den Pinsel eben in den Mund.“

Heute verwendet Zirm ausschließlich Kohlestift. Die Entscheidung für die Kohle sei ursprünglich eine rationale gewesen: „Aufgrund meiner körperlichen Eingeschränktheit musste ich mir überlegen, wie ich mit möglichst wenig Aufwand möglichst viel Tiefe ausdrücken kann.“ Die Kohle sei als Medium dafür optimal geeignet: „Kohle kann zart, geheimnisvoll, linear, bombastisch oder auch radikal sein“, sagt Friedrich Zirm.

Studiert hat der gebürtige Heidenheimer an der freien Kunstschule in Nürtingen sowie an der Akademie der Bildenden Künste in Stuttgart. Seit 15 Jahren wohnt er im Stuttgarter Norden und kommt immer gerne nach Bad Cannstatt: „Das ist ein lebendiges Städtle“, sagt Zirm über Stuttgarts größten Stadtbezirk.

Bezahlbare Kunst für Jedermann

Vor allem die historische Altstadt habe eine heimelige Atmosphäre und strahle morbiden Charme aus. In der Galerie Kunstraum 5 zeigt er von Samstag an Kunst für Jedermann: Neben großen Gemälden werden Kunststückchen gezeigt – etwa in Form von kleinformatigen Bildern oder Buttons. Diese sollen für jeden bezahlbar sein. Kunst sei zu elitär geworden, findet Zirm. Und das möchte er ändern helfen: „Kunst gehört nicht ins Museum, sondern in den Alltag der Menschen.“

Im Moment stellt Zirm seine Werke noch in seiner Wohnung her – möchte dies aber ändern: „Ich möchte meine Kunst verändern und dazu brauche ich mehr Platz und ein Atelier.“ Die Interaktion von Mensch und Maschine soll in Zukunft im Mittelpunkt seiner Arbeit stehen: Zirm schwebt ein Rollstuhl vor, den er mit dem Mund steuern kann – und etwa durch Farbpfützen lenken kann, bevor er damit über Leinwände fährt. „Mein kleines Auto soll nicht nur fahren, sondern auch Pinsel und Stift sein“, sagt Zirm über sein großes Projekt. Und nicht nur er soll es steuern: „Ich möchte damit in die Öffentlichkeit und die Menschen einladen, mitzumachen. Zirm möchte die Menschen dazu bringen, nicht nur zuzusehen, sondern sich aktiv auseinanderzusetzen – sowohl mit der Kunst als auch mit dem Anderssein. „Das ist mein Beitrag zur Integration“, sagt der Künstler.