Wolfhart Hähnel zeigt seine Arbeiten in der Galerie 4/1 . Er nimmt den Betrachter mit auf eine bunte Reise durch die Realitäten. Dabei ist viel Platz für Gelassenheit.

Korntal-Münchingen - Politisch ist seine Kunst nicht. Das soll sie auch nicht sein. „Ich lasse mich nicht vereinnahmen“, sagt Wolfhart Hähnel. Weder von einer Partei noch sonst einer Gruppierung. Der Künstler, 1944 in Dresden geboren, ist lieber für sich allein unterwegs, arbeitet, bis er mit dem Ergebnis wenigstens für den Moment zufrieden ist – und hat dann doch so viel zu sagen – wenn es der Betrachter denn sehen möchte.

 

„Zuflucht“ hat Hähnel die zwölf Objekte aus Holz und Kunststoff genannt. PET, ein Überrest von Getränkeflaschen, erhitzt zu neuer Form gebracht, wird, mit Farbe besprüht und an Draht befestigt, zur kleinen lauschigen, hügeligen Insel. Tiefblau das Meer, gelbgold der Strand, ein Idyll auf einem filigranen Ständer, vergangenes Jahr entstanden. Wäre da nicht das kleine, weiße Zelt. So leicht zu übersehen, so klar in seiner Aussage. Oder doch nicht? Hähnel erzählt dazu, wie er in seinem jugendlichen Leichtsinn wild campen war, nur von ein wenig Stoff über dem Kopf geschützt.

Schlagworte sind ihm ein Graus

Es muss nicht alles schwermütig sein. Die Welt ist ernst genug. In der Galerie auch zu sehen „Die vier Zuflüsse des Styx“: Benannt nach dem Totenfluss, entlehnt aus der griechischen Mythologie. Mit den Worten Schmerz, Wehklagen, Feuer und Vergessen sind die einzelnen Bretter benannt, archaisch anmutend. Hähnel erinnert damit an die Toten der Pandemie. Es ist einer der wenigen Momente in der Ausstellung, in der sich Hähnel, wenn man so will, der Schlagworte bedient – wenn auch in Anlehnung an die griechische Mythologie.

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Die Welt ist viel zu komplex, um sie mit wenigen Schlagworten zu umreißen, sie gar erklären zu wollen. Hähnel ist weit davon entfernt, sich über den Gesprächspartner oder den Betrachter seiner Kunst zu stellen. „Ich weiß es auch nicht besser“, sagt der Mann, der viele Jahre als Lehrer in Ulm wirkte, dort Kontakt hatte zu Wilhelm Geyer, dem Maler, Grafiker, Glasmaler und Mitbegründern der Künstlergruppe Stuttgarter Neue Sezession, der später, an der Kunstakademie Stuttgart, Professor für Werken war. Er fordert lieber den Diskurs ein . Er will einen Diskussionsbeitrag leisten, um das Gespräch zu beginnen – um des Gesprächs willen, nicht der aggressiven Auseinandersetzung wegen.

Kunst aus Müll

Hähnel entdeckte den Kunststoff der Getränkeflasche als Werkstoff nach eigenen Angaben, ehe die intensive Diskussion über die Vermüllung der Meere begann. Weil sich das Material gut erhitzen und dadurch bearbeiten ließ, blieb er dabei. Blüten in Farbe, grazil, schlicht und doch komplex, sind entstanden. Hat er die Kunst in der Natur nachgebildet – oder doch eher die Natur der Kunst zum Ausdruck gebracht? Schlichtheit überzeugt, meint Hähnel. Werde der klare Gedanke zur Kunst, so sei auch die Kunst in ihrem Ausdruck überzeugend.

Die Klarheit sei entscheidend, auch der Ausdruck, „stimmig muss es sein“, sagt Hähnel. Es müsse nicht perfekt sein, aber präzise in Material, Aussage und Ästhetik. Die Reliefs aus der Reihe „Treppenhaus“ sind ein Beleg dafür, so detailliert gesägt, dass sie atmosphärisch wirken: Was verbirgt sich dahinter? Der Betrachter sieht auf eine blickdichte schwarze Fläche.

Den Irrtum überwinden

Dass das Werk irgendwann nur so aus einem raus fließe, wenn man nur den richtigen Zeitpunkt erwischt – „das stimmt nicht“, sagt der Künstler. Der Entstehungsprozess beinhalte immer auch, „Irrtümer zu überwinden“.

Wie viele Irrtümer Wolfhart Hähnel überwand, ehe er die Blüte in ihrer Schlichtheit so tuschen konnte, dass sie reproduzierbar wurde? Man ahnt es, wenn er davon mit einer Leichtigkeit in der Stimme erzählt, wie viele Blätter er noch in der Schublade hat. Immer dieselbe geschwungene Form, leicht, unbeschwert, unversehrt – und unverwüstlich. Die Form bleibt gleich, auch wenn sich der Hintergrund wandelt, diesen hat Hähnel besprüht, mal dunkel und düster, mal bunt, grell, heiter. Das Leben tobt, die Pflanze, im Bild mit Kosenamen versehen, bleibt. Zieht sich zurück. Kommt im nächsten Jahr wieder. Unverwüstlich. Wolfhart Hähnels Metapher für das Leben.

Die Daten zur Ausstellung

Ausstellung
 „Winterernte – Fleurs du PET und andere Kunststoffe“ heißt der Titel der Schau in der Galerie 4/1 (Hans-Sachs-Straße 4/1) im Korntal-Münchinger Stadtteil Korntal. Wolfhart Hähnel zeigt Plastiken, Sprays, Grafik.

Eröffnung
 Die Ausstellung „Plastiken, Sprays, Grafik“ wird am kommenden Sonntag, 8. August, um 11.30 Uhr eröffnet.

Dauer
 Die Galerie ist samstags und sonntags von 14 bis 18 Uhr offen. Zu sehen ist die Schau bis Sonntag, 29. August.