2600 Faltkarten mit Bitten und Gebeten werden in der katholischen Kirche St. Georg zum Kunstobjekt in der Fastenzeit.

Stuttgart -

 

Eine Bitte allein hat kaum Gewicht – weder im realen, noch im übertragenen Sinn. Es ist die Macht der Gemeinschaft, die aus dem einzelnen Beitrag ein großes Ganzes entstehen lässt – das verdeutlicht nun eine Kunstinstallation der katholischenKirche St. Georg: 2600 Faltkarten ergeben nun in Rot- und Grautönen ein Mosaik des Glaubens und der Gemeinde.

Geschaffen hat die Installation eine Künstlerin aus Stuttgart-Nord, die sich „muche“ nennt. Zwischen dem ersten Advent und Mariä Lichtmess legte sie Faltkarten in drei Stuttgarter Innenstadtkirchen mit der Bitte aus, sie mit Gebeten, Dankesworten oder Bitten zu versehen. Mit Klebepunkten versiegelt, kehrten die Karten schließlich in ihr Feuerbacher Atelier zurück und wurden dort zum Motiv aus blutendem Herz und den Zeichen für Alpha und Omega zusammengefügt.

Es war zunächst ein Projekt mit vielen Fragezeichen: „Ich habe mich gefragt, ob sich wohl genügend Menschen beteiligen und ob sie die Karten auch wieder zurückschicken”, erzählt die Künstlerin. Die Sorge war unbegründet: 2600 Karten gingen insgesamt bei ihr ein – einige davon sogar aus Paris – und machten zum Teil sogar Doppelbelegungen nötig. Selbst nach dem Verstreichen des offiziellen Abgabetermins kamen immer noch Karten hinzu.

Kunst als Zeichen der Gemeinschaft

Pfarrer Michael Heil machte für sich selbst eine Adventsaktion daraus, schrieb an jedem Tag zehn Karten, bat darin um Hilfe für die Menschen in seinem Umfeld, die sich gerade in einer schwierigen Situation befanden. „Es war schön, dafür jeden Tag ein Stück aus dem Alltag herauszugehen.“ Und auch wenn er die eigenen Karten nicht mehr ausfindig machen kann, sei es gut zu wissen, dass sie „dort oben” mit dabei sind. Die Künstlerin berichtet außerdem von Gemeindegliedern, die es als erleichternd empfunden haben, ihre Sorgen und Bitten niederzuschreiben und dabei auch loslassen zu können. Sie hatte schon zuvor Kunstprojekte in St. Georg initiiert. Die aktuelle Installation sollte aber noch stärker im Zeichen der Gemeinschaft stehen. „Nachdem in Deutschland immer mehr christliche Gotteshäuser entweiht oder auch welche abgerissen werden und jedes Jahr hunderttausende Menschen aus der Kirche austreten, wollte ich ein Zeichen dagegen setzen.“

Viele Gedanken sind in das Kunstwerk geflossen: So stünden etwa die Klebepunkte für die Wundmale Christi. Andererseits sind sie auf der Karte nur halb sichtbar, werden aber durch den benachbarten Halbkreis wieder vervollständigt – quasi eine Handreichung von Karte zu Karte.

Das Ergebnis wirkt immer wieder neu und anders: Durch die unterschiedlichen Farbtöne scheint das Herzmotiv schon bei normalem Tageslicht fast zu pulsieren. Wird die Installation zusätzlich beleuchtet, tritt mal der kreuzförmige Durchblick auf das Wandbild „Christus als Welterlöser“ von Josef Eberz in den Vordergrund, mal das Kartenmosaik selbst. In den kommenden Wochen will man so immer neue Akzente in den Gottesdiensten setzen, berichtet Pfarrer Heil: „Wir sind gerade dabei, das zu erkunden.“

Das Mosaik, das auf seine Art auch ein Abbild der christlichen Gemeinschaft ist, wird bis zur Osternacht zu sehen sein. Danach verwahrt die Künstlerin die Faltkarten ein Jahr lang und übergibt sie 2020 ungeöffnet dem Osterfeuer. Übrig bleiben die transparenten Planen. Sie wird die Künstlerin, die aus dem Bühnen- und Theaterdesign kommt, vielleicht bei einem anderen Projekt zum Einsatz bringen, idealerweise zu den Themen christlicher Glaube und Gemeinschaft. „Ideen habe ich noch viele“, sagt sie.