Zum Wegwerfen viel zu schade: Aus Abfallprodukten einer Druckerei gestaltet die Waiblinger Gruppe Art U Zehn ein riesiges Mobile. Doch das Material hat seine Tücken.

Nichts bleibt, wie es ist – aber die eine oder andere Konstante gibt es zum Glück doch. Zum Beispiel die, dass die Waiblinger Künstlergruppe Art U Zehn alle Jahre wieder in der Vorweihnachtszeit das Kameralamt Waiblingen zum Atelier umfunktioniert und sich dort richtig austobt. Die gut vier Meter hohen Wände des historischen Gebäudes sind dann sicherheitshalber mit Plastikfolie verhüllt, dicker grauer Maler- vlies in Bahnen bedeckt den Boden.

 

Bis zu vier Kunstschaffende arbeiten sich jeweils zwei Wochen an einem Thema ab, dann ist Schichtwechsel und die nächste Gruppe darf loslegen. „Eine Mordsschlepperei ist das“, sagt Susanne Thumm – sie schafft gerade ihre Malutensilien aus dem Auto ins Kameralamt. Im Laufe der kommenden Tage wird noch einiges von daheim ins Atelier auf Zeit wandern: „Und am Schluss hat man dann den halben Hausstand hier.“ Trotz des Aufwands empfindet Susanne Thumm die zwei Wochen im Kameralamt als „eine Auszeit“. Und Christa Rilling, die aus Reutlingen kommt, sagt: „Für mich ist das wie ein richtiger Urlaub.“

Das Motto lautet: Nichts bleibt, wie es ist

Allerdings einer, in dem an jedem Tag kreativ geschafft wird. „Daheim kann man sich drücken, hier muss man sich mit dem Thema auseinandersetzen“, sagt Susanne Thumm. Das Motto der Werke, die in den kommenden Wochen entstehen, ist wie in früheren Jahren auch in der 18-köpfigen Runde diskutiert und dann per Mehrheitsbeschluss verabschiedet worden. Es lautet dieses Mal: „Nichts bleibt, wie es ist“.

Weil dazu ein statisch an der Wand hängendes Gemälde nicht so recht passt, haben die Mitglieder der Künstlergruppe sich für ein anderes Format entschieden: Als Basis für ihre Arbeiten nutzen sie große, runde Wellpappestücke mit einem Durchmesser von 1,20 Metern, die ursprünglich dazu dienten, die riesigen Papierrollen, die für den Zeitungsdruck verwendet werden, voneinander zu trennen. Seit einer Druckereibesichtigung gehörten sie zum Fundus der Art-U-Zehn-Mitglieder Ursula und Michael Schäfer, die sich beim Anblick der Scheiben dachten: „Da könnte man was draus machen.“ Die neue Bestimmung ist nun endlich gefunden: Die Vorder- und Hinterseite gestalten die Mitglieder der Künstlergruppe, dann werden die 18 kreisrunden Kunstwerke an der Decke des Kameralamts befestigt, sodass eine Art riesiges Mobile entsteht.

Wellpappe ist ein schwieriger Untergrund

Auf was sie sich da eingelassen haben, ist den Kunstschaffenden erst klar geworden, als die Ersten mit Acrylfarbe und Tusche loslegten. Die ungewöhnliche Form sei kein Problem, sagt Ursula Schäfer – wohl aber das Material, mit dem man erst Erfahrungen sammeln musste. Obwohl die Künstler jeweils zwei Kreise aus der vergleichsweise dünnen und weichen Pappe zusammengeklebt haben, um einen etwas festeren Untergrund zu bekommen, wellten und verzogen sich diese. Manch einer und eine sei da zunächst ganz schön frustriert gewesen, sagt Ursula Schäfer. Nicht einmal eine gerade Linie lasse sich auf der Wellpappe ziehen, ergänzt Christa Rilling.

Wer sich die schon entstandenen Arbeiten anschaut, ahnt nichts von diesen Schwierigkeiten, sondern staunt und genießt Farben und Vielfalt. Da prangt auf einer Kartonscheibe ein exotisches Blütenwunder, die Rückseite zeigt in herbstlichen Farben die entstandenen Früchte. Auf einer anderen Arbeit lenkt ein Mann einen pferdegezogenen Wagen, die andere Seite zeigt eine Rakete auf dem Weg zum Mond. Der Werdegang vom Kind zum Senior mit Rollator ist ebenso ein Motiv wie die Mondphasen oder der Wandel der Jahreszeiten, den Christa Rilling darstellt.

Vom Ei über das Küken bis zum Brathendl

Die Entwicklung vom Ei über das Küken bis zum Brathendl hat sich Ursula Schäfer vorgenommen. Ihr Mann Michael kontrastiert zwei krasse Gegensätze: die Kindheit und Jugend, verbildlicht mit Spielzeug und Süßigkeiten, und Krieg und Zerstörung in Form eines Panzers. Susanne Thumm hat sich vorgenommen, die Pappscheibe erst zu bemalen und sie dann zu zerschneiden und in eine Skulptur zu verwandeln: „Ob das klappt, weiß ich noch nicht.“

Die Ausstellung im Kameralamt Waiblingen, Lange Straße 40, wird derzeit vorbereitet und dann am Samstag, 28. Januar, 14 Uhr, mit einer Vernissage eröffnet. Die Bilder bleiben danach bis zum 12. Februar hängen und können immer mittwochs zu Marktzeiten sowie am Wochenende angeschaut werden.