Dagmar K. Schill experimentiert in Calwer Straße vor ihrem Laden mit einem Automaten, der Kleinkunst ausspuckt. Künstlerin Oda will die Glassäule nun mit ihren Werken bestücken.

Stuttgart - Schnelle Kunst muss keine schlechte Kunst sein. Und teuer muss Kunst auch nicht sein. Im Gegenteil. „Kunst muss für jeden da sein“, glaubt Dagmar K. Schill, „dazu gehören auch Postkarten oder andere Mitnahmekunst. Es kann doch nicht jeder 10 000 Euro für ein Kunstwerk ausgegeben.“

 

Mit diesem Kunstverständnis war im Prinzip der Weg zu einer neuen Idee in Stuttgart geboren: Kunst to go – Kunst im Vorbeigehen kaufen. Und zwar Tag und Nacht – vor dem Kunsthaus Schill in der Calwer Straße. Möglich macht es ein gläserner Automat, den vielleicht jeder aus der Kantine kennt. Man wirft Geld in den Schlitz, tippt einen Buchstaben-Zahlen-Kombination ein – und schon purzelt der gewünschte Gegenstand ins Ausgabefach.

Nur in diesem Fall sind es keine Schokoriegel oder Sandwiches, sondern kleine Bilder mit anregenden Texten, ein Glückssparschwein, eine kunstvoll bemalte Kaffeetasse oder eine Quietscheente. Kurzum: Dinge im Wert zwischen zehn und 20 Euro, die man nicht unbedingt zum Überleben braucht. Aber Dinge, die das Leben schöner und reicher machen können. So sieht Dagmar K. Schill auch ihren Auftrag: Sie will stets das Schöne in diese Welt bringen. Nun also mit einem in Italien für 25 000 Euro maßgefertigten Automaten.

Unternehmerisches Risiko

Dafür geht sie auch ein unternehmerisches Risiko ein. Denn nach 16 Jahren, in denen sie in der Eberhardstraße Kunst und Rahmen gegenüber von Breuninger verkaufte, wäre bald Feierabend gewesen. Der Mietvertrag endete im Jahr 2020. Die Frage lautete: Woanders weitermachen oder aufhören? Schill, die sich als „positiven Menschen“ bezeichnet, wagte den Sprung ins „eiskalte Wasser“. Mit einer Kundenkartei, die 10 000 Namen umfasst, im Rücken, eröffnete in der Calwer Straße neu. Auch weil sie sich in die Ladenfläche, in der früher Sport Breitmeyer zu finden war, „spontan verliebte“. Und nirgendwo sonst in der Stadt hätte sie wahrscheinlich ihre Kunst-to-go-Idee so umsetzen können wie dort. Denn in der Regel macht das Ordnungsamt bei solchen Sachen nicht mit. „Hier aber hatte ich das Glück, dass drei bis vier Meter vor dem Laden zu meiner Fläche gehören“, sagt sie. Zudem hat sie an dieser Stelle, wo täglich eine Unzahl von Menschen in den Untergrund zur S-Bahn laufen, genügend Aufmerksamkeit.

Oda ist begeistert

Dieses Aufsehen will Dagmar K. Schill nun auch nutzen, um Künstlern aus Stuttgart und der Region über ihren Automaten eine Plattform zu geben. „Es wäre schön, wenn Künstler abwechselnd den ganzen Automaten mit ihrer Kunst bestücken könnten“, sagt sie und denkt dabei an Konzeptkünstler wie Oda Schultz. Die Stuttgarterin, die an der Staatlichen Akademie der Bildenden Künste Malerei und der Grafik bei Professor Heinz Edelmann studierte, fühlt sich jedenfalls wie geschaffen für das Automaten-Experiment. Denn Odas Leidenschaft ist die kleine Pea. Diese bunte und lebensfrohe Erbse ist so etwas wie das Alter Ego von Oda. „Als eine Abenteurerin ist die kleine Pea immer auf dem Sprung, neue Welten zu entdecken. Sie sucht Herausforderungen und das Staunen über die Dinge“, sagt Oda über die kleine Pea und ist damit nicht weit von Dagmar K. Schills Ansichten über das Leben und die Kunst entfernt: „Ohne Kunst wäre die Welt langweilig.“

Selbst wenn sie, wie in der Calwer Straße, aus einem Automaten kommt.