Die Knötchenstickerei ist ein inzwischen fast vergessenes Handwerk. Doch Annegret Wünsche beherrscht es noch. Von ihr verzierte Eier sind auf internationalen Ostermärkten sehr begehrt.

Renningen - „Ich bin ein Pünktchen nur, ein winzig Nichts …“ Was da so bescheiden daherkommt, ist mitnichten „Nichts“, sondern ein ganz besonderer Stickstich, der fast schon in Vergessenheit geraten ist. Obwohl der Knötchenstich, um den es hier geht, ein Stickbild eindrucksvoll in Szene setzen kann. Das beweist Annegret Wünsche jedes Jahr aufs Neue, wenn sie in der kalten Jahreszeit beginnt, Eier jeglicher Couleur mit bestickten Stoffen zu verzieren. Dazu nutzt sie just jenen Knötchenstich, einen Brauchtumsstich, den sie noch von ihrer Großmutter gelernt hat. Die stammte aus dem Sudentenland, wo die Tradition des bestickten Osterschmucks über viele Jahrzehnte lebendig war.

 

Der Knötchenstich ist ein Strukturstich. Je nachdem, wie oft der Faden um die Nadel geschlungen wird, ergibt er eine größere oder kleinere Erhebung auf dem Stoff. „Deshalb fand er in der Trachtenstickerei, für gestickte Blütenstempel und Lämmer Verwendung.“ Annegret Wünsche wickelt gekonnt den Faden um die Nadel und zieht das seidig schimmernde Knötchen fest. Sie ist sehr naturverbunden, ihre besondere Liebe gilt daher der Landschaftsstickerei. Hier erzielt sie mit dem Knötchenstich eine ganz besondere Wirkung.

„Das Bild wächst von Knötchen zu Knötchen von alleine“

Doch zunächst sucht die Künstlerin einen Stoff aus, meist alte Leinenstoffe, die für die Stickerei die ideale Festigkeit und Struktur besitzen. Darauf zeichnet sie grob die Umrisse des Bildes oder der Initialen, die sie sticken möchte, auf. „Das Bild wächst von Knötchen zu Knötchen von alleine. Am Anfang lege ich nur fest, was ich sticken möchte, eine Landschaft, einen Blütenstrauß oder ein Symbol. Was dann entsteht, wie sich die Farben und Verläufe entwickeln, aus welchen Details sich das Motiv schlussendlich zusammenfügt, das wächst bei der Arbeit von alleine.“

Zwei bis drei Abende, je nach Größe des Eis und der Vielschichtigkeit des Motivs, braucht sie für ein gesticktes Bild. Dann wird der Stoff exakt zugeschnitten und mit Holzleim vorsichtig auf dem Ei aufgebracht. Zum Abschluss wird eine selbstgehäkelte, feine Luftmaschenkette um das Bild gelegt und festgeklebt.

Wer jetzt denkt, das sei ein nettes Hobby für Senioren, der irrt gewaltig. Annegret Wünsches Eier sind Kunstobjekte und sehr begehrt auf den großen, internationalen Ostermärkten wie beispielsweise in Schwetzingen, wo nicht nur die Aussteller aus unterschiedlichen Ländern kommen, sondern auch das Publikum. Vor allem Amerikaner und Japaner scheuen keine Entfernung, um sich auf diesem Markt umzutun. Mit rund 120 Eiern in allen Größen ist der Stand der Malmsheimerin bestückt, mit Straußen-, Schwanen-, Hühner- und Gänseeiern, selbst Wachteleier sind groß genug für die filigrane Arbeit. Die leeren und gereinigten Ei-Hüllen gibt es auf den großen Ostermärkten zu kaufen und haben stolze Preise: Bis zu 35 Euro kostet so ein vorbereitetes Straußenei.

Seit 32 Jahren geht sie ihrer Passion nach

Die ehemalige Lehrerin für Kunst und Textiles Werken an der Weil der Städter Grund- und Hauptschule nimmt, unterstützt von ihrem Mann Dieter, jährlich an zwei Märkten teil. „Immer in Schwetzingen und einmal an wechselnden Märkten“, erzählt sie. Dazu gekommen ist sie durch einen Kratzei-Kurs. Auch das Kratzei ist eine alte böhmische Tradition. Dazu wird ein Ei gefärbt und das Motiv dann ganz vorsichtig durch Entfernen der Farbe herausgekratzt. Zu diesem Kurs brachte Annegret Wünsche eine Auswahl ihrer bestickten Eier mit, sie wollte die Meinung der Kursleiterin hören. Die war begeistert und beschloss, dass diese Eier auf den großen traditionellen Ostermärkten künftig nicht mehr fehlen durften. „So ist ein Lebenswerk daraus geworden“, Annegret Wünsche lacht, seit 32 Jahren geht sie dieser Passion nach. „Weil mich beides fasziniert, die vollendete Form des Eis und der Knötchenstich mit seinen vielfältigen Möglichkeiten. Beides zusammen ergibt eine harmonische Ganzheit in Form und Farbe.“ Und den perfekten Osterschmuck.