Morgan O’Hara lädt am Mittwoch zu einer „Handwriting“-Aktion in den Waiblinger Schwanen ein. Die Künstlerin aus New York verweist mit Abschriften der Unabhängigkeitserklärung, des Grundgesetzes oder der Menschenrechtserklärung auf fundamentale Werte der Gesellschaft.

Manteldesk: Thomas Schwarz (hsw)

Waiblingen - Der Tag im Januar 2017 sei für sie schier unerträglich gewesen, sagt Morgan O’Hara. „Bereits das unkultivierte Verhalten während des Wahlkampfs hat mich abgestoßen“, sagt die Künstlerin aus New York, die diesen Juli als Gastdozentin in Tübingen verbringt. Sie habe sich wie viele andere überlegt, wie sie mit dem Tag der Amtseinführung jenes Mannes umgehen sollte, dessen Namen sie nicht noch populärer machen will und den man deshalb nicht schreiben soll.

 

Und dann sei ihr eines Morgens die Idee gekommen: „Ich beschloss, die Unabhängigkeitserklärung abzuschreiben, von Hand.“ Damit war die Aktion „Handwriting the Constitution“ geboren, die mittlerweile international immer mehr Teilnehmer findet, und die auf eine stille, introvertierte Weise auf fundamentale Werte hinweist – insbesondere in Ländern, wo diese bedroht sind.

Bei den Aktionen ist Ruhe sehr wichtig

An diesem Dienstag wird Morgan O’Hara in der Kunsthalle Göppingen und im Tübinger Schloss sein, am Mittwoch in Waiblingen, um das Grundgesetz abzuschreiben: „Handwriting the Grundgesetz“ sozusagen. In Deutschland habe ihr soziales Kunstkonzept wohl deshalb solch großen Anklang gefunden, weil dieses Jahr der 70. Jahrestag des Grundgesetzes begangen wird. „Es sind auch andere Texte als die Constitution möglich, etwa die Erklärung der Menschenrechte der Vereinten Nationen.“

Diese habe sie während eines Aufenthaltes auf Taiwan ausgewählt, da einige Teilnehmer ihre eigene Landesverfassung nicht zum Inhalt ihrer Handschriften machen wollten. Denn durch das Schreiben von Hand werde der Inhalt auf eine ganz andere Art und Weise aufgenommen, als durch das Abtippen. Die Inhalte würden regelrecht verinnerlicht. Bei den Aktionen sei Ruhe sehr wichtig. „Keine Musik oder sonstiger Trara. Es ist eine sehr introvertierte Angelegenheit.“

Dennoch sei ihr klar gewesen, dass sie an jenem 20. Januar 2017 nicht zu Hause und auch nicht in ihrem Atelier schreiben wollte, sondern an einem öffentlichen Platz. Was wäre dazu geeigneter als eine öffentliche Bücherei? Also ging Morgan O’Hara in die New Yorker Stadtbibliothek, ein Ort der Stille, wo sie zusammen mit acht anderen den Tag damit verbrachte, dem lautstark tönenden und twitternden Widerpart in aller Stille Kontra zu geben.

Es geht um fundamentale Zustände in Gesellschaften

„Es geht nicht nur um ihn. Es geht um fundamentaleres, wenn man sich den schrecklichen Zustand anschaut, den die Politik zurzeit weltweit hat“, sagt die 1941 in Los Angeles geborene Künstlerin.

Gisela Sprenger-Schoch, die frühere Leiterin der Waiblinger Jugendkunstschule, hat sie durch ihre Arbeit als Kuratorin der Kunsthalle Göppingen kennengelernt. Sie bringt Morgan O’Hara an diesem Mittwoch in das Waiblinger Kulturhaus Schwanen. Von 16 Uhr an sind alle eingeladen, sich schriftlich mit ihr zu vertiefen.