Wer einen Schlüssel vermisst oder einen gefundenen Regenschirm abzugeben hat, ist im „Fundbüro für Nicht-Dinge“ in Waiblingen am falschen Ort. Andrea Ertz und Silke Goll nehmen aber beispielsweise gerne Meldungen über den Fund einer großen Liebe oder den Verlust von schlechter Laune an.

Waiblingen - Waiblingen hat vieles zu bieten, eine Einrichtung aber vermissen Silke Goll und Andrea Ertz in ihrer Stadt. Und so hat das Duo, das unter dem Namen „Waiblinger Ideentausch“ regelmäßig spontane Kunstaktionen ausheckt, nun ein ganz spezielles Fundbüro eröffnet. Es nimmt ausschließlich Verlust- und Fundmeldungen von immateriellen Dingen an und nennt sich „Fundbüro für Nicht-Dinge“. Wegen eines verlorenen Schlüssels oder eines gefundenen Regenschirms braucht man also gar nicht erst über die nicht vorhandene Türschwelle des mobilen Fundbüros treten, das in diesem Sommer mal hier, mal da in der Waiblinger Innenstadt Station machen wird, zum ersten Mal am Samstag, 28. Juli zwischen 9.30 und 14 Uhr im Bereich des Waiblinger Marktplatzes.

 

Wer aber zum Beispiel mitteilen möchte, wann er seine große Liebe oder Zuversicht gefunden, wie er seine Angst oder wo er seine schlechte Laune verloren hat, der ist bei Andrea Ertz und Silke Goll genau richtig. Die beiden haben sich von Anette Wenzel ein großes Schild als Hinweistafel für ihr Fundbüro gestalten lassen, außerdem ein Formular, auf dem Finder und Suchende näher beschreiben können, was sie verloren oder gefunden haben und welche Auswirkungen das für sie hat. „Manchmal ist es ja gut, etwas zu verlieren“, sagt Silke Goll, „und es gibt auch negative Funde.“

Such- und Fundgeschichten werden gesammelt

In den kommenden Wochen wollen die Frauen spontan bei Veranstaltungen in der Waiblinger Altstadt oder auf dem Wochenmarkt vorbeischauen, ihren roten Teppich ausrollen, Formulare unters Volk bringen und fleißig Geschichten sammeln. Zur Ausstattung des fliegenden Fundbüros gehören auch ein alter Holztisch und die nostalgische Schreibmaschine „Erika“.

Wie immer hoffen Silke Goll und Andrea Ertz, dass möglichst viele Menschen mitmachen und ihre Erlebnisse und Herzenswünsche preis geben. In Zürich hat das funktioniert: dort gab es im vergangenen Jahr zeitweise ein „Fundbüro für immaterielle Dinge“, das in einem leerstehenden Kiosk residierte. „Wir haben uns die Erlaubnis geholt, die Aktion hier zu wiederholen und sind gespannt, ob es in Waiblingen funktioniert“, erzählt Andrea Ertz.

Die gesammelten Geschichten wollen Goll und Ertz anonymisieren, abtippen und teils im Schaufenster des Vereins Spagat ausstellen, damit auch andere die Beiträge lesen können. „Unsere Idee ist immer, dass Interaktion entsteht“, sagt Andrea Ertz vom Waiblinger Ideentausch, „das ist unsere Stadt, wir gestalten sie und wir müssen uns kennenlernen und erfahren, was andere denken.“ Dabei ist dem Duo bewusst, dass manch einer traurige Geschichten ins Fundbüro tragen wird. Für Krisensituationen halten sie die Kontaktdaten von Einrichtungen wie der Telefonseelsorge oder von Beratungsstellen parat.

Sogar ein Briefkasten hängt parat

Wer nicht selbst beim Fundbüro vorbeischauen kann, hat die Möglichkeit, seine Meldung postalisch einzureichen: Am Gebäude des Vereins Spagat in der Kurzen Straße 20 durfte der Waiblinger Ideentausch einen gespendeten Briefkasten befestigen. Die Buchhandlung Taube am Marktplatz bezeichnet deren Besitzer Markus Schneider als „eine Außenstelle des Fundbüros“, in der aufgeschriebene Fund- und Suchmeldungen abgegeben werden können. „Vielleicht kommt am Ende eine Lesung heraus“, sagt Schneider.

In Zürich war die Aktion so erfolgreich, dass gar ein Buch daraus entstanden ist, das im Herbst auf den Markt kommt.