Die Ausstellung im Bönnigheimer Schloss endet im Sommer. Die 4500 Werke naiver Kunst sollen künftig aufgeteilt werden – und den kunsthistorischen Kanon neu schreiben.

Digital Desk: Michael Bosch (mbo)

Bönnigheim - Seit 1996 beheimatet Bönnigheim (Kreis Ludwigsburg) eine der weltweit wichtigsten Sammlungen für Naive Kunst und Art Brut. Doch damit ist es bald vorbei. Die Sammlung Zander wird die kleine Stadt im Norden des Kreises Mitte kommenden Jahres verlassen – und dann rund um die Welt ein neues Zuhause finden.

 

Die Sammlung Zander fällt aus jedem Rahmen: Die dort ausgestellten Kunstwerke, in 60 Jahren zusammengetragen von der 2014 verstorbenen Mäzenin Charlotte Zander, würden auch Museen in Berlin, New York oder anderen Metropolen schmücken. Kunst von Autodidakten, Outsidern, mitunter auch von psychisch Kranken war in Bönnigheim über die Jahre zu sehen. Da es nur wenige Art-Brut-Künstler, wie etwa Henri Rousseau, zu Ruhm gebracht haben, zog sie nie die Massen an. Aber die eingefleischten Fans kamen – auch aus Italien, Japan oder den USA.

Stadt Bönnigheim bedauert Weggang

In den vergangenen 23 Jahren wurden auf 2000 Quadratmetern insgesamt 37 Themen- und monografische Ausstellungen gezeigt. Eine weitere wird es noch geben, im kommenden Jahr. Susanne Zander wird im April eine letzte Ausstellung kuratieren – eine Retrospektive auf die Arbeit ihrer Mutter Charlotte.

Für die Stadt Bönnigheim ist der Weggang ein Schlag. „Wir haben das letzten Endes einfach zu respektieren“, sagt Bürgermeister Albrecht Dautel. Die Stadt hätte die Sammlung gerne behalten, aber ihr Ende sei nicht mehr abzuwenden gewesen. „Wir haben gute Voraussetzungen geschaffen“, so Dautel, „mehr konnten wir nicht tun.“ Zuletzt hatte die Stadt, der das Schloss gehört, die Räume zu einem symbolischen Mietzins von einem Euro pro Jahr überlassen. Außerdem hatte die Kommune 2016 Teile des Gebäudes saniert. „Und etwas anderes als das Schloss haben wir eben nicht zu bieten“, sagt Dautel. Dass er ein wenig enttäuscht ist, ist verständlich. Schließlich hat die Sammlung maßgeblich zum kulturellen Angebot und Image der Stadt beigetragen. Was nun längerfristig aus dem Schloss werden soll, weiß Dautel noch nicht.

Das Aus war mehrmals nah

Charlotte Zander war ursprünglich nach Bönnigheim gekommen, weil sich an ihrem Wohnort München und in Bayern kein Platz für ihre Werke fand. Und die Sammlung blieb. Länger als es viele wohl für möglich gehalten haben. Denn das Aus war in den vergangenen Jahren mehrfach nah. Besonders nach Charlotte Zanders Tod befürchtete man, dass das Museum geschlossen und die Bilder verkauft werden. Erst im Herbst 2015 stand fest: Es geht weiter.

Seitdem firmierte das Museum als gemeinnützige GmbH, Susanne Zander sitzt ihr vor. Weil es durch Umstrukturierung die Möglichkeit gab, Förderanträge zu stellen, hatte das Museum wesentlich größeren finanziellen Spielraum. Charlotte Zanders langjährige Assistentin Cynthia Thumm, die das Museum derzeit leitet, wird auch weiterhin mit der Sammlung betraut sein.

Sammlung soll aufgeteilt werden

Was damit passiert? Darüber kann Susanne Zander noch keine konkrete Auskunft geben. Sie sei noch am Anfang ihrer Überlegungen, sagt sie. Aber: „Die Bilder haben ein Recht darauf, gezeigt zu werden.“ Und dafür sei Bönnigheim nicht mehr länger der richtige Ort. Leicht gemacht hat sich Zander diese Entscheidung nicht. Dass der Mietvertrag im kommenden Jahr hätte verlängert werden müssen, habe sie zum Nachdenken bewogen. „Obwohl ich mir das eigentlich verboten habe.“

Die 57-Jährige kam zu dem Schluss, dass sie das Vermächtnis ihrer Mutter möglichst vielen Menschen zugänglich machen möchte. Das gelinge am besten, wenn man die Sammlung aufteile. Die Bilder einfach an irgendein Museum zu verleihen, kommt für Zander aber nicht in Frage. Die Werke sollen in einem Kontext gezeigt werden. Und, es soll mit ihnen gearbeitet und an ihnen geforscht werden. „In Bönnigheim wäre die Kunst zwar haptisch erhalten geblieben, aber sie wäre wahrscheinlich aus den Köpfen der Menschen verschwunden“, sagt Zander.

Museen haben schon angefragt

Der Weggang sei „eine Chance, Art Brut und Naive Kunst kunsthistorisch zu verankern“, so Zander, „das ist bislang nicht passiert“. Lehre und Forschung sollen deshalb genauso von der Kunst profitieren, es gab bereits Gespräche mit einer Universität, und auch Museen haben schon angefragt. Die Sammlung Zander soll Teil der Neuschreibung des kunsthistorischen Kanons, wie sie gerade im Museum of Modern Art in New York und hierzulande – etwa im Museum Folkwang in Essen oder in der Nationalgalerie Berlin – vorangetrieben wird, werden. Dort wird versucht, Kunstgeschichte aus verschiedenen Perspektiven zu erzählen.