Die Galerie 4/1 zeigt Werke von Sibylle Möndel. Unter dem Titel „Ausgewählt“ stellt die Stuttgarter Künstlerin eine Auswahl aus drei verschiedenen Werkreihen vor.

Korntal-Münchingen - Die Oberbegriffe, die Sibylle Möndel ihren Werkgruppen gegeben hat, sind kleine Stolperfallen: „Waldstücke“, „Wege“ – das klingt zunächst einmal nach Ruhe, Besinnlichkeit und Tiefenentspannung. Doch schon Teil drei lässt aufhorchen: er ist mit „Grenzland“ überschrieben. Allerdings wird der Besucher der Korntaler Galerie 4/1, in vom kommenden Sonntag an eine Werkschau der in Kornwestheim lebenden Künstlerin gezeigt wird, schon bevor er sich sich diesem „Grenzland“ nähert, mit Schrecken konfrontiert. Den Schrecken des Waldes.

 

Wolf oder Hund?

„Im Wald gibt es eben dunkle Ecken“, sagt die Künstlerin. In ihre Bilder geraten diese Ecken meist per Siebdruckverfahren, das seit einigen Jahren eine zentrale Rolle in ihrem Schaffen spielt. Malerei, Siebdruck und am Computer bearbeitete Fotos – das sind die Verfahrensweise, aus denen Möndel ihre Werke komponiert.

Am Anfang des Schaffensprozess steht nach wie vor die Malerei auf Leinwand, doch dabei bleibt es nicht. Meist ist das nur der erste von vielen Arbeitsgängen. Ihre Signatur, ihre Tiefe – und manchmal auch nur Hinweise auf kleine Erzählungen – erhalten die Bilder durch ergänzende Drucke in Schwarz und Weiß. Das Dargestellte changiert zwischen abstrakt und figürlich.

Ist das ein Wolf, der da durch den Wald spaziert – oder doch nur ein Schäferhund? Versteckt sich hinter einer Front von Bäumen ein Menschengesicht? Wer lauert hier wem auf? Im ersten Anlauf ist man versucht, die Bilder als eine Art Verrätselung zu sehen: Überall scheinen Hinweise verborgen, die man verstehen möchte. Sind es die Schlüssel zu Erzählungen?

Aber nachdem die Spurensuche in Gang gekommen ist, muss man feststellen, dass entscheidende Puzzleteile fehlen, um die Geheimnisse zu lüften. Grund: Diese Werkreihe von Möndel hat nur wenig Berührpunkte mit unserer gewohnten realen Welt – und also auch mit einem realen Wald. Das Vertraute ist nur das Mittel, mit dem der Blick auf eine eher mystische Welt – vielleicht die Welt des Traumes – gelenkt wird.

Flüchtlinge im Grenzland

Doch sobald der Galeriebesucher den Werkzyklus „Waldstücke“ durchschritten hat, verlässt er damit auch diese eher märchenhafte Ebene, in der es auch um eine Rückgewinnung eines Blicks auf die Natur geht. Nun bilden Geschichte und Biografie („Wege“) oder die Politik und der Medienumgang damit („Grenzland“) eine zweite Ebene. Für die mit „Grenzland“ betitelten Werke hat Möndel Pressefotos verwendet, die bestimmte Situationen in Flüchtlingscamps oder von Auseinandersetzungen in Krisengebieten festhalten. Dank der künstlerischen Be- und Überarbeitung werden daraus Bilder, denen das Verfallsdatum genommen wurde: Aus Fotos, die Nachrichten illustriert haben, werden so Bilder, die weit über den Tag hinaus wirken und für sich allein stehen können. Wenn Möndel das Kapitel „Wege“ aufschlägt, glaubt man, in einem privaten Fotoalbum zu blättern. Aber die Künstlerin hat allen diesen Werken den Rahmen genommen – im wortwörtlichen als auch im übertragenen Sinn. Sie sind offen für einen neuen Kontext.