Die Kunsthalle Baden-Baden widmet sich in einer Ausstellung Künstlerinnen und Künstlern, die jung verstorben sind.

Kultur: Adrienne Braun (adr)

Baden-Baden - Martin Kippenberger, ein exzessiver Raucher und Trinker, starb mit 44 Jahren an Lungenkrebs. Michel Majerus kam jung bei einem Flugzeugabsturz ums Leben, Van Gogh hat sich mit 37 Jahren erschossen, Jean-Michel Basquiat starb mit 27 an einer Überdosis und der junge Keith Haring an Aids. Ihrem Werk hat es nicht geschadet, dass sie jung starben, im Gegenteil: Bis heute macht man mit ihren Arbeiten beste Geschäfte.

 

„Nach dem frühen Tod“ nennt sich die neue Ausstellung in der Kunsthalle Baden-Baden, in der Hendrik Bündge und Johan Holten Werke von Künstlerinnen und Künstlern zusammengetragen haben, die früh verstorben sind. Dabei wollen sie untersuchen, wie sich ein früher Tod auf das Werk auswirkt. Als etwa bekannt wurde, dass Christoph Schlingensief an Lungenkrebs erkrankt ist, stieg seine Popularität nicht nur enorm, sondern es sei in den Medien ausschließlich positiv über ihn berichtet worden, heißt es in der Ausstellung.

Modernes Merchandising mit dem alten Van Gogh

Ein früher Tod, so eine der Thesen der Kuratoren, kann die Karriere prägen und den Ruhm steigern wie bei Jackson Pollock oder Jean-Michel Basquiat. 33 Künstler sind in der Ausstellung vertreten – und der früheste unter ihnen ist der mythisch verklärte Vincent van Gogh, dessen tragische Biografie seinen Nachruhm bis heute befeuert. Eine Vitrine zeigt Souvenirs und Merchandising-Artikel: Regenschirm, Halstuch, Kaffeebecher und Puzzle mit Van-Gogh-Motiven.

Die Kuratoren haben interessante künstlerische Positionen zusammengetragen und dabei auch manches aus der Versenkung hervorgeholt – wie die Malerei von Hermann Stenner, der als einer der 17 Millionen im Ersten Weltkrieg umkam, im Gegensatz zu seinem Kollegen August Macke allerdings keinen Nachruhm erfuhr. Mark Lombardi hat recherchiert, was die Welt in Wirklichkeit zusammenhält: In grafischen Schaubildern zeigt er die politischen Verstrickungen zwischen dem israelischen Militär, Südafrika, Waffenherstellern und Geldgebern aus Brüssel. Sein Tod wurde als Selbstmord zu den Akten gelegt, Lombardi wurde wegen seiner Recherchen allerdings vom FBI überwacht, Werke wurden zerstört, und er erhielt Drohungen.

In der Schau stößt man auf einige interessante Fälle wie den der Performancekünstlerin Ana Mendieta, die 1985 bei einem Sturz aus dem Fenster ums Leben kam. Verdächtigt wurde der Bildhauer Carl André, der in einem umstrittenen Prozess jedoch freigesprochen wurde. Andrés minimalistische Arbeiten – am Boden verlegte quadratische Platten – sind heute in vielen Museen vertreten, Mendietas Werk ist dagegen kaum noch beachtet. In der Kunsthalle sieht man die Künstlerin auf einigen Fotografien, für die sie mit ihrem Gesicht experimentierte, es auf eine Glasplatte presste und krude verformte.

Mehr Fragen als Antworten

Die publikumsfreundlich aufbereitete Ausstellung wirft eher Fragen auf, als dass sie Antworten lieferte. Wie hätten sich die Künstler wohl weiterentwickelt? Wie reagiert der Markt auf das frühe Sterben? Ein Kapitel führt zumindest vor, dass der Tod die Rezeption von Werken verändern kann. Der niederländische Konzeptkünstler Bas Jan Ader wollte 1975 den Atlantik in einem Segelboot durchqueren, havarierte aber. Seither lässt sich diese Reise kaum anders interpretieren als eine Fahrt in den Tod.

So interessant das kulturgeschichtliche Thema ist: die meisten Exponate können letztlich wenig dazu beitragen. Die inhaltliche Auseinandersetzung findet allein in den Begleittexten statt, während die Bilder recht beliebige Beispiele für das Schaffen der Künstler sind. So hängt etwa ein Blumenstillleben von Van Gogh in der Schau, während man von Frida Kahlo kein Werk bekommen hat und deshalb „Kahlo-Tequilla“ ausstellt. Kippenberger, der ewige Provokateur, hat den eigenen Tod zumindest antizipiert auf einem Bild, auf dem er schreibt: „Dumm geboren, dumm gestorben und nichts dazugelernt“.