Die Staatliche Kunsthalle Karlsruhe wird nach dem Wettbewerbsentwurf des Berliner Büros Staab Architekten umgebaut und erweitert. Das neue Herzstück des Museums bildet das abgesenkte Atrium.

Karlsruhe - Zu den dringenden Sanierungsfällen wertvoller historischer Bauten im Besitz des Landes gehört neben der Stuttgarter Oper die Staatliche Kunsthalle Karlsruhe. In Baden ist man der langersehnten Instandsetzung und Erweiterung jetzt einen großen Schritt näher gerückt: Am Donnerstag wurde, wie in unserer Zeitung berichtet (16. März 2018), das Ergebnis des auf zwanzig Teilnehmer beschränkten Wettbewerbs bekannt gegeben, aus dem das Berliner Büro Staab Architekten als Gewinner hervorging. Wann der nächste Schritt folgt, ist jedoch ungewiss. Denn auf einen ungefähren Zeit- oder Kostenrahmen wollte sich Gisela Splett, Staatssekretärin im Finanzministerium, nicht festlegen lassen. Dazu ließe sich erst nach genauen Voruntersuchungen und -planungen etwas sagen. Mehr war der Amtschefin nicht zu entlocken.

 

Optimistisch kann man diese Weigerung als Zeichen deuten, dass der öffentliche Bauherr aus Imageschaden klüger geworden ist. Erste Kostenschätzungen oder – gar keine Seltenheit – schöngerechnete Projekte werden in der Diskussion nur allzu häufig mit der Endsumme verwechselt, gefolgt von allgemeiner Empörung über Kostenexplosionen. Aber schlechte Presse muss ja nicht sein, mag sich die Politik gedacht haben, daher vielleicht die neue Zurückhaltung. Pessimistisch betrachtet ließe sich die Scheu vor Zahlen und Terminen dagegen als Hinhaltetaktik auslegen.

Zu hoffen ist aber, dass das Land nun zügig Ernst macht mit der überfälligen Ertüchtigung eines seiner Museumsflaggschiffe – und eines der ältesten öffentlichen Museen in Deutschland überhaupt. Der Siegerentwurf erlaubt jedenfalls keine Ausflüchte. Er legt, im Gegenteil, eine starke Basis für eine schwierige Aufgabe, bei der sich im Wettbewerb selbst im Umgang mit historischen Bauten versierte Büros geschlagen geben mussten: Neben einem zweiten Preis an die Stuttgarter Architekten Auer und Weber vergab die Jury nur noch vier Anerkennungen.

Ein „Altbauflüsterer“

Ein Altbauflüsterer ist auch der gebürtige Heidelberger und Wahlberliner Volker Staab. Paradebeispiel seiner Umbaukunst ist das Albertinum in Dresden. Nach dem Jahrhunderthochwasser von 2002 brachte er die kostbaren, in letzter Minute vor den Fluten geretteten Bestände der Staatlichen Kunstsammlungen in einem „schwebenden Depot“ auf dem Dach des Museums unter und verwandelte den Innenhof in ein helles Foyer. In Stuttgart kennt man ihn vor allem seit der Sanierung des Landtagsgebäudes, das er mit viel Fingerspitzengefühl und Respekt vor der Ästhetik der Nachkriegsmoderne erneuert hat.

Im Entwurf sieht die Karlsruher Kunsthalle von Staab Architekten nun aus wie die kleine Schwester des Albertinums in Dresden. Wie an der Elbe soll der von vier Gebäudeflügeln umschlossene Innenhof zum Foyer und Verteilerzentrum umfunktioniert werden, wie dort beherbergt er künftig Kasse, Shop und Café – bisher im Vestibül mit den Ausmaßen einer Sardinenbüchse positioniert. Auf den zweiten Blick wird deutlich, dass das Vorbild für den Kunsthallenumbau nicht an der Elbe, sondern in Amsterdam steht. Dort haben die spanischen Architekten Cruz y Ortiz das in die Jahre gekommene Rijksmuseum komplett umgekrempelt und mit einem neuen, abgesenkten Atrium unter einem riesigen Glasdach versehen, das heute das pulsierende Herz des niederländischen Nationalmuseums bildet. Diese Grundidee haben sich die Berliner bei den Kollegen aus Sevilla abgeguckt – was vollkommen legitim und frei von jedem Plagiatsverdacht ist. Man kann die Architektur nicht jeden Montag neu erfinden, hat Ludwig Mies van der Rohe gesagt, gute Ideen sind dazu da, adaptiert zu werden, wo es passt – und in Karlsruhe passt es ausgezeichnet.

Erweiterung im benachbarten Amtsgericht

Denn in der Kunsthalle geht es nicht nur darum, ein kommunikatives Zentrum und Platz für Funktionen wie Gastronomie und Shop zu schaffen, ohne die ein moderner Ausstellungsbetrieb nicht mehr auskommt. Die Nutzung des Innenhofs allein reicht für den räumlichen Befreiungsschlag nicht aus. Langfristig soll darum das benachbarte Amtsgericht der Kunsthalle zugeschlagen werden, um dann Wechselausstellungsräume, Büros, Anlieferung, Räume für die Kunstvermittlung und Veranstaltungen aufzunehmen – all das, woran es heute fehlt. (Wann die Juristen ausziehen, steht bisher allerdings noch in den Sternen.)

Verbunden werden die beiden Gebäude künftig durch einen unterirdischen Gang, und genau hier erweist sich das tiefergelegte Atrium als kluger Schachzug, da es sich auf der Ebene dieser Verbindung befindet. Man muss künftig also nicht erst umständlich hinunter- oder hinaufsteigen, um von einem Haus ins andere zu gelangen, sondern kann ebenerdig von da nach dort wechseln. Weiterer Vorzug dieser Lösung: Im Atrium öffnet sich kein Abgang für die Treppe, die Fläche wird nicht durch ein mit Geländern umstelltes Loch im Boden gestört. Und schließlich bleibt auch die historische Substanz weitgehend unangetastet. Man betritt die Kunsthalle durch das Portal und erreicht dann eine umlaufende Galerie, von wo der Blick auf das Geschehen im Innenhof fällt, der frei von Rücksichten auf den Altbau nach den funktionalen Erfordernissen und in heutigen Formen gestaltet werden kann.

Klingt alles logisch, aber tatsächlich waren Staab Architekten die einzigen Wettbewerbsteilnehmer, die auf den Trichter mit der Absenkung gekommen sind. Auer und Weber etwa, die sich durch einen besonders sensiblen Umgang mit dem denkmalgeschützten Bestand auszeichnen, verfehlten aus diesem Grund den ersten Platz. Als Wunsch an die Gewinner regte die Jury lediglich eine transparentere Überdachung des Atriums an. Auch dabei könnte man ans Rijksmuseum mit seinem tageslichtdurchfluteten Foyer denken. Aber zu wörtlich sollte ein Wettbewerbsentwurf nicht genommen werden, im Detail ist er ohnehin noch nicht ausformuliert. Die Museumsdirektorin Pia Müller-Tamm bekennt, jedenfalls schon jetzt „extrem glücklich“ über diese Kunsthalle der Zukunft zu sein.