Nach dreieinhalbjähriger Sanierung ist am Wochenende der Billingbau der Mannheimer Kunsthalle wiedereröffnet worden. Klimatechnisch ist das denkmalgeschützte Gebäude jetzt auf allerneuestem Stand.

Mannheim - Museen sind Energieschleudern. Ihr kostbarer Inhalt reagiert hyperempfindlich auf Temperaturschwankungen, die Luft in Ausstellungsräumen darf nicht zu heiß und nicht zu kalt, nicht zu trocken, aber auch auf keinen Fall zu feucht sein, damit die konservatorisch vorgeschriebenen Grenzwerte eingehalten werden. Gerade ältere Gebäude entsprechen diesen hohen Anforderungen oft nicht mehr, so dass ihnen im internationalen Leihzirkus Nachteile drohen.

 

In Mannheim, wo am Wochenende der hundert Jahre alte Billingbau der Kunsthalle nach dreieinhalbjähriger Generalsanierung feierlich wiedereröffnet wurde, war darum viel von Klimatechnik die Rede und eher wenig von dem Baudenkmal – obwohl man den ganzen Sanierungsaufwand natürlich nur getrieben hat, weil es sich um ein bedeutendes historisches Bauwerk der Stadt und den „ungewöhnlichsten Museumsbau“ des frühen 20. Jahrhunderts in Deutschland handelt. Das Volumen, schreibt Wolfgang Pehnt in seiner Geschichte der „Deutschen Architektur seit 1900“, sei plastisch gleichsam „durchgeknetet“ – mit kraftstrotzenden Details und einer „wie von einer äußeren Kraft zurückgepressten“, konkav gerundeten, von liegenden Löwen bewachten Eingangspartie.

Solch ein Bauwerk in Styropor einzupacken als wär’s ein x-beliebiges Wohn- oder Bürohaus, verbot sich von selbst. Die rote Sandsteinfassade des monumentalen Jugendstilbaus, der nach seinem Architekten Hermann Billing benannt ist, erstrahlt – gereinigt und instandgesetzt – fast wie am 1. Mai 1907, als Mannheim mit der Einweihung des Museums den 300. Jahrestag seiner Stadtgründung beging. Die neue Dämmung ist unsichtbar und befindet sich innen. Unsichtbar ist auch das Heiz- beziehungsweise Kühlsystem, das in Wänden, Böden und Decken für eine gleichmäßige Temperierung sorgt, während tausende von Fühlern in den Wänden permanent Messwerte liefern und das Raumklima steuern. Die Lüftung verbirgt sich in den Tageslichtdecken. Neue Fenster, die den historischen Fenstern im Erdgeschoss auf der Innenseite vorgesetzt wurden, sind mit Isolierglas und dazu integriertem Blend-, UV- und Einbruchschutz ausgestattet. Eine Spiegelrasterverglasung auf dem Dach und die LED-Beleuchtung halten die Stromkosten in Schach.

Der Architektur geschieht kein Leid

In der Summe ist ein Niedrigenergiemuseum herausgekommen, das Pionierstatus für sich in Anspruch nehmen kann: So avanciert wie in Mannheim ist die energieeffiziente Modernisierung eines Museumsaltbaus nirgends sonst. Insgesamt 22 Millionen haben Stadt, Land, Denkmalamt und private Geldgeber sich das Ganze kosten lassen. Der Bund stufte es als „Leuchtturmprojekt der Energieforschung“ ein und steuerte aus seinem Säckel für „Energieoptimiertes Bauen“ knapp drei Millionen Euro bei.

Das schöne an dem Hightech-Konzept ist, dass es der Architektur keine Gewalt antut. Die Architekten Pitz und Hoh aus Berlin, erfahrene Spezialisten der Denkmalsanierung, und nach ihnen die Heidelberger Walter und Wünsch, haben den Bau behutsam und mit Fingerspitzengefühl instand gesetzt, ohne ihn an die Klimatechnik auszuliefern oder ihm die Patina zu rauben, die ein hundert Jahre altes Haus nun einmal hat. So riecht es in dem bisher leeren Gebäude zwar überall noch nach Farbe und frischverlegtem Linoleum, aber die hohe Eingangshalle aus rotbraunem Marmor mit den seitlichen Treppen und der umlaufenden Galerie verströmt den feierlichen Ernst, der in wilhelminischen Zeiten zwingend zur Hochkultur gehörte.

Auf dem strahlenförmig gemusterten Marmorboden im Zentrum des Foyers steht wieder das Hausmaskottchen, der goldglänzende „Große Fisch“ von Constantin Brancusi, den der damalige Kunsthallendirektor Heinz Fuchs anno 1975, dem Jahr der ersten großen Sanierung und abschließenden Reparatur von Kriegsschäden, als Schlüsselwerk für die Skulpturensammlung des Hauses angekauft hatte. Neu ist der große Lüster darüber. Er stammt von dem Lichtkünstler Olafur Eliasson und besteht aus sternförmigen Modulen, die, zu einem Strauß gebündelt, wie ein Science-Fiction-Jugendstilobjekt aussehen. In die von einem Hauch Völkerschlachtdenkmal aromatisierte Architektur der Halle fügt sich dieser Kronleuchter hervorragend ein – anders als Eliassons Bling-Bling-„Wirbelwerk“ im Foyer des Münchner Lenbachhauses.


Der Grundriss der Kunsthalle folgt dem herkömmlichen Modell einer zweiflügeligen Anlage mit repräsentativer Treppenhalle in der Mitte. Auf stark vergrößerten historischen Aufnahmen, die zur Wiedereröffnung in die Ausstellungsräume gehängt wurden, kann man sehen, dass es 1907 ausgesprochen bunt zuging. Eingeweiht wurde das Museum mit einer „Internationalen Kunst- und großen Gartenausstellung“, zu der führende Künstler der Epoche – darunter Peter Behrens, Josef Maria Olbrich und Josef Hoffmann – die Gestaltung einzelner Räume übernahmen. Die teilweise stark gemusterten Tapeten, Stuckverzierungen und Bodenbeläge wurden aber nach der Schau wieder entfernt.

Die amtierende Kunsthallenchefin Ulrike Lorenz hat sich nun – gegen die aktuelle Tendenz zu farbigen Räumen – für eine monochrom hellgraue Farbfassung entschieden. Helge Pitz, der Architekt, hatte einen dunkleren Grauton vorgeschlagen, und wie gut dieser gerade als Hintergrund für Werke der klassischen Moderne funktioniert, kann man in der Stuttgarter Staatsgalerie besichtigen. Die hellen Wände wirken in dem leeren Museum etwas steril und leblos, nah dran am White Cube. Aber das kann sich mit dem Einzug der Kunst ändern. Wirklich störend sind die glubschigen Überwachungskameras, die mitten in die Glasfelder der Lichtdecken platziert wurden. Auch die Strahler hätten kleiner ausfallen können und nicht so unelegant an den Profilen der Glasdecken befestigt werden müssen. Aber dass Mannheim mit diesem Bau wieder bei den Großen mitspielen darf, steht außer Frage.