Eine Ausnahme in diesem menschenleeren Kosmos bildet der Spanier Bernardo Torrens. Er modernisiert den weiblichen Akt, wenn er den Rücken einer anorexischen Schönen zeigt („Allì Te Espero“). Und beruft sich auf klassische Vorbilder der Kunstgeschichte wie Velázquez, zumal für dunkelfarbige Ganzporträts wie seine düster blickende „Küchenhilfe“. Ein Augenschmaus sind die Lollipops von Roberto Bernardi, virtuos gebündelt in barockem Schräglicht.

 

Unter den Jüngeren ist Clive Head ein Maler, der seine Vorlagen nicht bloß durch abfotografierte Realien gewinnt. Head entwirft in Skizzen Londoner Cafés oder U-Bahn-Ausgänge, macht daraus Kulissen, stellt Personen hinein, und die abfotografierten Szenerien werden dann zu spitzwegartigen Ölbildern transformiert. Der Israeli Yigal Ozeri setzt elfengleiche Frauen in märchenhafte Naturarrangements, um sie pixelreich abzufotografieren und die Projektion minutiös auszupinseln. Auch die Stadtveduten von Robert Neffson oder Raphaella Spence geben sich damit ab, das Schöne noch zu beschönigen, und Ben Johnsons beliebte Architekturbilder halten es nicht anders. Seine Perspektivwahl lädt den Betrachter an einen höchst privilegierten Ort, etwa aufs Dach der National Gallery am Trafalgar Square. Geschmeichelt darf er dem Säulenhelden Nelson über die Schulter sehen und findet die berühmteste Londoner Sehenswürdigkeit ohne Dunst und frisch gestrichen zu Füßen („Looking Back to Richmond House“). Dafür hat Johnson ein hoch kompliziertes Verfahren ersonnen, mit vielen, am Computer gemischten Fotos, lasergeschnittenen Schablonen und computerkalkuliertem Farbauftrag mittels miniaturisierter Spritzpistolen. Der Detailreichtum dieser Acrylmalerei ist ungeheuer und wird nur durch ihre sterile Coolness übertroffen.

Wofür man früher ein Fernrohr brauchte, reicht jetzt also eine Lupe, toll! Vielleicht aber wollen wir nicht nur bewusstlos gucken. Erinnern wir uns, ganz uncool. Susan Sontag brach ja 1964 eine Lanze für den „Camp“: es ging um das künstlerisch Banale und sozial Randständige. Der denkende Betrachter wurde herausgefordert, es in seiner Art anzuerkennen. Den schimmernden Alu-Leib eines Wohnwagens zu thematisieren (wie in Tübingen Ralph Goings, „Airstream“, 1970), hatte in der Tat etwas Befreiendes. Die Beschönigung des ohnehin Anerkannten, die Kumulierung von Effekten, die distanzlose Wunschbefriedigung haben es nicht. „Camp“ konnte die Kunst erweitern, Kitsch nicht, und Kult ist auch etwas anderes als die Freiheit der Kunst. Als dreißig Jahre später nicht nur die Unterschiede, sondern auch die Kriterien weg waren, hätte Sontag den Geist gern wieder in die Flasche gesperrt.