Weil in der Pandemie Läden schließen, blüht Kunst in der City auf. Stefan Zimmermann ist mit seiner Pop-up-Galerie Z vom Dorotheen-Quartier so sehr begeistert, dass er bleiben will. Fulminant feiert er Romulo Kurányi, der sich „genial“ entwickelt habe.

Stadtleben/Stadtkultur: Uwe Bogen (ubo)

Leerstand ist keine gute Werbung für ein Einkaufsviertel. Als vor über einem Jahr eine exklusive Modekette ihre 176 Quadratmeter große Boutique im Dorotheen-Quartier zwischen der Gaststätte Nesenbach mit bayerischem Bier und dem Luxus-Taschenhersteller Louis Vuitton aus Paris verließ, wahrscheinlich trug Corona eine Mitschuld daran, begann das, was man „Zwischennutzung“ nennt und woraus oft Erfolg erwächst. Zu einer günstigen Miete stellen die Hauseigentümer die Räume zur Verfügung – auf Zeit, bis sich ein Einzelhändler findet, der die „regulären“ Kosten übernimmt. Mit viel Leidenschaft führen Heidrun und Stefan Zimmermann, bisher mit ihrer Galerie Z im Stuttgarter Westen beheimatet, seit November 2021 ihren Pop-up-Standort gegenüber der Markthalle in bester Citylage. Zunächst sollte das Paar nur sechs Monate bleiben. Jetzt darf es bis Ende des Jahres weitermachen – und würde dies am liebsten auch 2023 verlängern, damit Kunst weiterhin der Innenstadt guttut.

 

Die Pop-up-Galerie ist zu ihrem zweiten Wohnzimmer geworden

Der Standort mit viel Laufkundschaft führt der Kunst ein ganz neues Publikum zu – es kommen Leute, die früher im Westen nie gekommen sind, die bei ihrer Shoppingtour quasi hineinstolpern in die Liebe zur Kunst. Für die beiden Galeristen heißt das, dass ihre temporären Räumen mit den großen Fenstern zum zweiten Wohn- und Esszimmer geworden sind. Personal hat das Paar nicht, die beiden Kunstverrückten wechseln sich montags bis samstags von 10 bis 20 Uhr ab und habe inzwischen Übung darin, Passanten zu erklären, dass die Galerie zwar Z heißt (Z wie Zimmermann, dem Familiennamen der Betreiber), aber keine russische Bedeutung habe.

Wer dieser Tage an der Münzstraße durch die hohen Schaufensterscheiben ins Innere hineingeschaut hat, konnte verfolgen, wie jemand auf der Zwischenwand der Galerie unermüdlich und wohl unerschöpflich Schwarz-Weiß-Köpfe malt. Es war Romulo Kurányi, dem nach Meinung des renommierten Galeristen Stefan Zimmermann eine große Karriere im Kunstgeschäft bevorsteht. „Romulo hat sich genial entwickelt“, lobt Zimmermann. Die Stärke des 33-Jährigen sei „sein absoluter Wille“, eine guten „Kernidee“ immer weiter zu entfalten. Deshalb präsentiert die Galerie Z nun für drei Wochen eine „fulminante Werkschau“ mit dem Titel „poetic power lived“.

Er war Wirt und Eisverkäufer – jetzt widmet er sich voll und ganz der Kunst

Die Handschrift des Deutsch-Brasilianers, der Gastronom und Eisverkäufer war, ehe er sich ganz für die Kunst entschieden hat, ist Pop-Art mit klaren Linien und vielen Köpfen. Die Gesichter mit gesamter Gefühlsbreite fallen meist so aus, wie sich der Künstler gerade fühlt. Mal sind es lustige, fröhliche Gestalten, mal wirken diese traurig und nachdenklich. Jeder Kopf ist anders. „Es kommt immer auf die Betrachter an“, sagt er, „was sie daraus lesen.“ Was die einen als lebensfroh wahrnehmen, sei für andere eher melancholisch oder depressiv. Seine Werke laden dazu ein, lange und genau hinzuschauen. Immer wieder entdeckt man Neues.

„Meine Inspiration kommt aus den Facetten und der Vielfalt der Menschen unterschiedlicher Herkunft, da ich multikulturell aufgewachsen bin“, sagt „Romu“, der im Alter von zehn Jahren nach Deutschland gezogen ist. Die Gefühlswelt will er mit Linien, Punkten, Kreisen und Farbenfesthalten – und seine „Liebesbeziehung zur Kunst“ mit allen teilen. Die Vernissage wird am Mittwoch, 26. Oktober, um 19 Uhr gefeiert.