Im Waiblinger Kulturhaus Schwanen haben Besucher mit der amerikanischen Künstlerin Morgan O’Hara die Grundrechte von Hand niedergeschrieben. Damit sollen die individuellen Menschenrechte ins Bewusstsein gerückt werden, eine stille Form des Protests, der der Lautstärke von Populisten entgegengesetzt wird.

Manteldesk: Thomas Schwarz (hsw)

Waiblingen - Es ist eine stille Form des Protests. Dennoch hat es die Künstlerin Morgan O’Hara geschafft, am Mittwoch im Waiblinger Kulturhaus Schwanen bereits zum 110. Mal eine Session ihres Handwriting-Projekts zusammenzubringen. Rund 20 Besucher und Mitarbeiter des Hauses sitzen auf der Terrasse und schreiben von Hand Passagen des Grundgesetzes ab – oder Stellen anderer Texte, in denen es um Menschenrechte geht.

 

„Mir geht es nicht darum, Werbung für die amerikanische Verfassung oder das Grundgesetz zu machen“, betont die New Yorkerin. „Es geht darum, die individuellen Menschenrechte zu propagieren.“ In Zeiten, da in der Politik allerorten Lautsprecher den Ton angeben, wolle sie mit leisen Tönen dagegen halten.

Ein lauter Präsident gab den Ausschlag

Und es klappt: bisher hat die 1941 in Los Angeles geborene Künstlerin nicht nur in den USA, sondern auch in Taiwan, Macao, Portugal und nun in Deutschland Handwriting-Sessions organisiert. Begonnen hat sie im Januar 2017, als der neue US-Präsident ins Amt eingeführt wurde. „Ich wusste nicht, wie ich diesen Tag durchstehen sollte“, berichtet Morgan O’Hara. Dann hatte sie die Idee zum Projekt „Handwriting the Constitution“.

In der öffentlichen Bücherei von New York schrieb sie die US-Verfassung ab, die mit den Worten „We the people“ beginnt und dann die unveräußerlichen Menschenrechte aufzählt, zu der sich das Dokument ausdrücklich bekennt. „Die Würde des Menschen ist unantastbar“, lauten die ersten Worte des deutschen Grundgesetzes. Sie markieren eine Abkehr von der unmittelbaren Vorgeschichte, den von den Nazis initiierten Zivilisationsbruch, der den einzelnen Menschen entwertete und Millionen das Leben kostete.

Grobes Verhalten soll nicht zur Gewohnheit werden

Es ist ein großer Unterschied, solche Worte zu lesen oder sie von Hand niederzuschreiben. Die Beschäftigung mit den Worten wird zur Auseinandersetzung mit dem Inhalt, den Werten, die sie transportieren. Und die Gedanken gehen weiter, die Erinnerung an andere „wertvolle“ Textstellen wird wach.

„Wenn sich jemand daneben benimmt, nehmen wird das oft hin und gewöhnen uns an grobes Verhalten. Das sollte aber nicht sein. Wir sollten uns dem entgegenstellen“, sagt Morgan O’Hara, die viele Formen des Protestes kennt, den stillen jedoch vorzieht. Allein in Tübingen, wo sie diesen Juli als Gastdozentin arbeitet, folgten am Dienstag 60 Frauen und Männer ihrer Einladung zur Handwriting-Session.