Wie ein Kunstprojekt der Region Bürger dazu bringt, sich mit dem Tod zu beschäftigen.

Ditzingen - Steine sind normal auf einem Friedhof – sofern sie auf einem Grab stehen. Steine, die nicht aussehen wie Grabsteine, sind hingegen etwas Besonderes am Ort der Ruhe und Besinnung. Solche Steine ragen zur Zeit auf dem Ditzinger Friedhof heraus. Sie gehören zum Projekt „Drehmomente“ der Region Stuttgart. Die Künstlerin Maike Sander aus Stuttgart und der ortsansässige Steinbildhauer Stefan Machmer haben Bürger beim Mitgestalten angeleitet. Sie sind begeistert von ihren Arbeiten. „Die Zusammenarbeit war befruchtend und wohlwollend“, sagt einer der Teilnehmer. Am Sonntag wurde das Projekt offiziell begonnen. Es dauert bis Ende November.

 

„Jetzt wird es konkret“, sagt Maike Sander. Auch der Bildhauer Stefan Machmer ist begeistert, wie Laien mit Stein umgegangen sind – denn schon vor dem offiziellen Start haben Gespräche und ein Workshop stattgefunden. Und er freut sich, wie ein ansonsten gemiedenes Thema von den Menschen angenommen wird. „Das Projekt ist eine Möglichkeit, das Thema Tod zu den Leuten zu bringen. Es stellt den Friedhof in den Mittelpunkt.“ Sander und Machmer haben seit Juli nicht nur mit den Teilnehmern diskutiert und viele Gespräche geführt, sondern auch praktisch gearbeitet: Für das Thema „Erde“ wurde ein Hügel angelegt, für „Wasser“ ein Teich – jeweils bestückt mit gestalteten Steinen. An manchen von denen wird weitergearbeitet.

Skulpturen mit Hammer und Meißel

In anderthalb Tagen sind bisher mit Hammer und Meißel etwa zehn Skulpturen entstanden: vom konkreten kleinen Herz und einem drei Zentner schweren schiffsbugförmigen Stein bis zu einer kleinen Brücke und einem Quader, in den ein Halbkreis eingemeißelt ist. „Das sind ausgebreitete Arme“, beschreibt die Erschafferin Christiane Meis, sie sollen von Gott sein und den Menschen, die im Leben stehen. Die Juristin war Teilnehmerin am Workshop zur Steingestaltung. „Ich sah diesen Stein, habe gesagt ,das ist meiner’ und legte los.“ Warum sie mitmachte? „Der Friedhof ist mir vertraut. Das Mitmachen kam aus dem Bauch heraus, ich wollte kreativ sein.“

Günther Zeltner hat mehrere Motive in einen Findling gemeißelt. Eines davon ist eine Schlange, die sich in den Schwanz beißt, „das ist ein altes Symbol“. Die Sonne kam dazu – und eine Wunde in der Hand, als der Hammer ausrutschte. Dennoch will Zeltner weitermachen. Er will auf seinem Stein das Motto des Ganzen darstellen: Wasser, Erde, Luft und Feuer.

Ein klassisches Motiv

Ein geradezu klassisches Motiv hat Alexandra Mann zum Mitmachen veranlasst: Der Tod der eigenen Mutter, wenige Monate vor dem Projekt. Im Sommer sei sie auf den Projektraum in der Marktstraße gestoßen, habe mit Maike Sander gesprochen, sich für den Workshop gemeldet und dabei ein Herz aus Stein angefertigt. „Das soll für die Liebe insgesamt sein, nicht nur für meine Mutter.“ Und noch etwas wird aus dem Mitmachen entstehen: das Grabmal für die Mama. Auch Klaus Pfänder ist einer der Akteure. Er hilft mit, wo praktisches Tun nötig ist. Und er stellt vier Leinwände im Projektraum aus: bemalt mit einem Gemisch aus Farbe und Friedhofserde. „Das ist unser Friedhof, da muss ich mittun.“

Das Projekt Drehmomente, ein Prozess zwischen Menschen und einem Ort, geht noch bis Ende November. Laut dem Oberbürgermeister Michael Makurath hat sich mit Sander und Machmer „ein ideales Duo gefunden“, das „mit dem Thema den Nerv der Zeit traf“. Wenn das Projekt vorüber ist, entscheidet der Gemeinderat, was mit den Ergebnissen auf dem Friedhof geschieht. Das reicht von Beseitigen bis Belassen.