Die Stuttgarter Saxofon-Professorin Nikola Lutz von der Musikhochschule stellt an diesem Sonntag im Kultur-Kiosk ihr neues Projekt vor. Damit will sie auch einen virtuellen Raum einrichten.

Lokales: Armin Friedl (dl)

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enn Künstler ihr Atelier aufräumen, ist das oft eine gute Idee. Vieles vergessen Geglaubtes findet sich da wieder. Und dann kann man den Raum ja auch ganz neu gestalten. Nikola Lutz, Professorin für Saxofon und Komposition an der Stuttgarter Musikhochschule, hat sich für dieses Aufgabenbündel entschieden, hat ihr Atelier hier in der Stadt künstlerisch neu gestaltet. Und sie hat daraus ein neues Projekt geschmiedet mit dem Titel „YonX – Mad Map“. Das stellt sie an diesem Sonntag um 13 Uhr im Kultur-Kiosk vor, der sich im Züblin-Parkhaus bei der Leonhardskirche befindet. Mit dabei ist der Kontrabassist César Bernal.

Mit dem Floß unterwegs auf Berlins Gewässer

Ihr Atelier ist ein Inspirationsort dafür. Der andere ist in Berlin, genauer gesagt sind es die Gewässer von Berlin. „Wir hatten dort eine Art Floß zur Verfügung mit einer Größe von zwölf Quadratmeter, das motorisiert war. Bernal hat darauf Bass gespielt, während wir auf dem Wasser unterwegs waren. Dazu habe ich auch all die Geräusche drumherum aufgenommen: Die Natur, das Wasser, die Industrieanlagen, den Verkehr“, so Lutz. Ein weiterer Inspirationsort ist für das Projekt der Hildesheimer Dom, genauer der Rosenstock, der dort seit etwa 1000 Jahren blüht. „Im Zweiten Weltkrieg war er völlig verschüttet unter Trümmern“, so Lutz, „und dennoch hat er viele Triebe entwickelt“. Lutz kennt dieses Naturwunder schon aus früheren Ausbildungsjahren in Hildesheim, lässt sich davon jetzt aktuell wieder gerne inspirieren wegen der kriegerischen Entwicklungen in Europa.

Ein audiovisuelles Kunstwerk

All dies sind Teile der Aufführung an diesem Sonntag im Kultur-Kiosk. „Ein bestimmter Ort hat ja etwas Unpraktisches, Unflexibles und Untransportables an sich, das so gar nicht in eine Zeit passt, in der alles von überall her möglich sein soll“, sagt Lutz. Aber erst dadurch könne ein bestimmter Ort eine Wirkung ausüben und künstlerisches Handeln in Gang setzen. „Unser Projekt setzt sich der Berührung durch den Ort aus und dokumentiert diesen Prozess in einem multiplen audiovisuellen Kunstwerk.“

Lutz selbst ist an diesem Projekt musikalisch nicht beteiligt im Gegensatz zu ihren sonstigen Vorhaben. Sie konzentriert sich hier ganz auf die elektronische Verarbeitung all der akustischen und optischen Informationen, die die beiden im Verlauf des Arbeitsprozesses gesammelt haben. Und das betrifft nicht nur die Aufführungen. Parallel dazu entsteht nota space, ein virtueller Raum, in dem all das bereits Erlebte, die Aufführungseindrücke und Künftiges gespeichert wird. Da ist jetzt noch nicht sehr viel geboten, da dieses Projekt ja erst gestartet ist. Doch das soll sich bald ändern: „Die Software nota verzichtet auf ein Regelwerk. Jeder, der will, kann da mitmachen und mitgestalten auch ohne umfangreiche Kenntnisse.“ Im Herbst soll es nach Mexiko und Chile gehen, bis dahin soll nota space schon etliches mehr bieten. Und danach kommen schließlich noch die Eindrücke aus den südamerikanischen Ländern hinzu.

HIneinarbeiten in die digitalen Möglichkeiten

Die Grundidee für all diese Dinge ist im Prinzip der Corona-Zeit geschuldet. Wie viele andere Künstler konnte auch Lutz über Monate hinweg nicht mit anderen Musikern proben, Auftritte absolvieren oder Ideen perfektionieren. Wie viele andere Künstler hat auch sie sich mit Online-Konferenzen zufrieden geben müssen oder einzelne Sachen auf Video veröffentlichen. Wie viele andere hat auch sie feststellen müssen: Das geht zwar, aber das bleibt auch viel schuldig an Möglichkeiten. Es mangelte auch daran, dass keiner die Finessen der elektronischen Kommunikationsmöglichkeiten wirklich gut beherrscht.

Das trifft nicht nur auf sie zu, sondern auch auf Skam, das von ihr geleitete Stuttgarter Kollektiv für aktuelle Musik. Auch Lutz zählt sich zu jenen, die Fotografieren und Filmen schon immer interessiert hat, die aber wenig Wissen darüber hatten, was man da alles machen kann. Mit „YonX – mad map“ und nota space soll sich dies ändern.