Die Zeit ist aus den Fugen. Seit geraumer Zeit sind die politischen Debatten von dem guten alten Hamlet-Zitat befallen wie von einem Virus. Für eine neue Ausstellung in der Ludwigsburger Karlskaserne sind vier Künstler der Frage nachgegangen, was eigentlich geschieht, wenn Strukturen unverbindlich werden?

Ludwigsburg - Die Zeit ist aus den Fugen. Seit geraumer Zeit sind die politischen Debatten von dem alten Hamlet-Zitat befallen wie von einem Virus. Jochen Raithel und sein Team von der Kunstschule Labyrinth haben sich davon nicht abschrecken lassen und Künstler aufgefordert, sich abseits von Sonntagsreden Gedanken über eine Welt im Umbruch zu machen. Was geschieht, wenn Strukturen unverbindlich werden? So die Themenstellung. Das Resultat ist in der Karlskaserne zu sehen: die Schau „Changing Times, New Worlds“. Wohlgemerkt: alles im Plural!

 

Göttliche Perspektive

Ein Scheinwerfer bestrahlt die Szene aus Betonbauteilen wie eine fahle Sonne, die die Schatten von Hochhäusern in die Ebene wachsen lässt. Aber ist das überhaupt eine Stadtansicht? Die Künstlerin Pauline Repussard aus der Region Montbéliard hat ihr Werk auf einer Art Bühne installiert, und sie erzählt, dass das Bild von Schachfiguren auf einem Schachbrett den Anstoß dazu gegeben habe. Am Ende nannte sie die Installation „Meteor“, wohl auch, um vorschnelle Schlüsse zu verhindern.

Die Zeit spiele eine gravierende Rolle in diesem Werk, meint der Stuttgarter Kunsthistoriker Steffen Dengler, der die Texte des Ausstellungskatalogs verantwortet. Er schlägt vor, die Szene aus quasi göttlicher Position zu betrachten – oder ihr doch wenigstens die Dimension einer nichtmenschlichen Zeitspanne zuzugestehen. Die Künstlerin versuche als Augenblickswahrnehmung festzuhalten, was einem langwierigen Prozess unterliegt. „Ich wollte eine Situation kurz vor oder nach einer Katastrophe darstellen“, sagt Repussard.

Sie ist eine von vier Künstlerinnen und Künstlern, die das von der Ludwigsburger Kunstschule und dem Kunstverein Le 19, Crac in der Partnerstadt Montbéliard gemeinsam angeregte Projekt umgesetzt haben. Die übrigen Teilnehmer sind Thierry Géhin (ebenfalls aus Montbéliard) sowie die Ludwigsburger Nina Joanna Bergold und Viktor Stickel.

Ein ungebetener Gast

„Im Grunde war ich zunächst einmal nur überrascht von der Anfrage“, sagt Stickel. „Üblicherweise zeige ich meine Sachen sonst in Kinos oder jedenfalls nicht im Dialog mit anderen Kunstwerken.“ Stickel hat an der Filmakademie Animation studiert, und auch der Beitrag für die „Changing Times“-Ausstellung ist ein animierter Kurzfilm. Als bekennender Erzähler hat er vier Geschichten parallel montiert und aus den Verknüpfungen erfrischend absurde Funken geschlagen. Der Film heißt „Soupe“ und beginnt damit, dass eine Gruppe von fein gekleideten Menschen darauf wartet, dass ihnen die titelgebende Suppe serviert wird. „Das ist alles so lange exquisit, bis ein ungebetener Gast auftaucht“, sagt Stickel. Allerdings – soviel darf man an dieser Stelle verraten – durchlebt dieser ungebetene Gast so manche Transformation.

Um Transformationen und Brüche im Raum geht es Nina Joanna Bergold. Sie arbeitet mit Teichfolie, in die sie scherenschnittartig Figuren und Landschaften schneidet. „Ich arbeite bewusst mit dem Zweidimensionalen“, sagt die Künstlerin. „Meine Figuren fühlen sich vertraut an, gleichzeitig bleiben sie durch die Künstlichkeit der Folie fremd.“ Mit Folien – einer speziellen Wandtapete – arbeitet auch Thierry Géhin. Er nimmt Maß bei Alltagsmöbeln, um deren Konterfeis als Kunstprodukte an die Wand zu kleben. Für ihn spiegelt – und bricht – sich darin die persönliche und die politische Geschichte.