Der kalifornische Sprachwissenschaftler David J. Peterson erfindet für populäre TV-Serien wie „Game of Thrones“ ausgefeilte Kunstsprachen.

Stuttgart - Fußgänger geht gar nicht: „Die größte Beleidigung für einen Dothraki ist, ihn Fußgänger zu nennen, was in seiner Sprache ‚ifak‘ heißt“, sagt David J. Peterson und lacht. Der Sprachwissenschaftler aus Kalifornien, Typ ewiger Student, hat für die Fantasysaga „Game of Thrones“ eine fiktionale Sprache erfunden – und zwar für das wilde Reitervolk der Dothraki, das in der Fernsehserie eine wichtige Rolle spielt und dessen Zugehörige andere Menschen, die hauptsächlich zu Fuß unterwegs sind, für Warmduscher halten.

 

Die weltweit erfolgreiche amerikanische Serie, die auch in Deutschland eine große Fangemeinde hat und im Bezahlfernsehen sowie bei RTL 2 läuft, punktet eben nicht nur bei Drehorten und Ausstattung mit enorm viel Aufwand, sondern auch bei Details, die auf den ersten Blick eher unwichtig erscheinen.

Wer jetzt allerdings glaubt, die vom Linguisten Peterson erfundene Sprache bestehe nur aus ein paar kehlig-knurrigen Lauten, die von den Dothraki-Darstellern mal eben so dahingekrächzt werden, der irrt gewaltig. Dothraki ist eine richtige Sprache, die aus mittlerweile mehr als 3800 Wörtern besteht und auf einer eigens entwickelten Grammatik basiert. „Ich denke, das beste Mittel, eine Sprache realistisch klingen zu lassen ist, sie so realistisch wie möglich zu machen“, sagt Peterson, der für die HBO-Serie „Game of Thrones“ auch die fiktionale Sprache Valyrian geschaffen hat.

„dothralat“ heißt reiten

Als Spracherfinder müsse man sich genau anschauen, mit welcher Kultur und welchen Figuren man es zu tun habe, erklärt Peterson, der sich schon mehrere fiktionale Sprachen ausgedacht hat. „Du machst dir ein Bild von ihrem Leben und schaffst Schritt für Schritt ein Vokabular.“ Pferd heißt auf Dothrakisch „Hrazet“, das Wort „Zhavvorsa“ steht für Drache, das Verb „dothralat“ heißt reiten, „elzat“ bedeutet antworten und das Wort Danke kommt in der Welt der Dothraki überhaupt nicht vor – finstere Krieger bedanken sich schließlich für nichts und bei niemandem.

Bei der Erfindung mancher Begriffe hat der 33-Jährige aus seinem persönlichen Erfahrungsschatz geschöpft: So lautet die Übersetzung für das dothrakische Wort „erin“ nicht von ungefähr gut und freundlich, denn Erin ist der Vorname von Petersons Frau. Völlig klar, dass es bereits Wörterbücher und Grammatik-Lehrbücher für Dothraki gibt und die Sprache von „Game of Thrones“-Enthusiasten überall auf der Welt fleißig gebüffelt wird. Es soll in den USA auch schon bedauernswerte Kleinkinder geben, denen ihre Eltern den Vornamen „Khaleesi“ verpasst haben, was in der Welt der wilden Reiter Königin heißt.

Dothraki ist – zumindest was Fantasyfans betrifft – derzeit zwar in aller Munde, aber bei Weitem nicht die einzige Kunstsprache, die für fantastische Welten in Literatur, Film und Fernsehen erfunden wurde. So basiert die gesamte Mythologie des Klassikers „Herr der Ringe“ auf fiktionalen Sprachen, die sich der britische Schriftsteller J. R. R. Tolkien ausgedacht hatte.

Die Klingonen in „Star Trek“ sprechen klingonisch

Berühmt ist auch das kehlig klingende Klingonisch, das in den Filmen der Science-Fiction-Saga „Star Trek“ von den außerirdischen Klingonen gesprochen wird. Der amerikanische Sprachwissenschaftler Marc Okrand hatte die ausgefeilte Kunstsprache in den achtziger Jahren im Auftrag der Filmgesellschaft Paramount für die Filme entwickelt und einen wahren Boom losgetreten: Es gibt nicht nur Wörterbücher, regelmäßig erscheinende Zeitschriften und Übersetzungen wie etwa Shakespeares „Hamlet“ auf Klingonisch, sondern sogar ein „Klingon Language Institute“ mit Sitz in den USA, dessen 2500 Mitglieder in mehr als fünfzig Ländern sich der Pflege und Erhaltung der klingonischen Sprache widmen.

Für frischen Wind hat in jüngster Zeit außerdem die auch in Deutschland beliebte Sitcom „The Big Bang Theory“ gesorgt: Die jungen Helden der Serie sind große Star-Trek-Fans und pflaumen sich schon mal auf Klingonisch an.