Stuttgart - Winzige Plastikpartikel sind ein großes Umweltthema geworden. Denn immer wieder entdecken Forscher Mikroplastik an ungewöhnlichen Orten. Eine Studie zeigt: Die kleinen Teilchen gelangen aus mindestens 51 verschiedenen Quellen in die Umwelt.
Was ist Mikroplastik eigentlich?
Darunter versteht man winzige, feste und unlösliche Plastikteilchen, kleiner als 5 Millimeter groß. Unterschieden wird zwischen primärem und sekundärem Mikroplastik: Primäres Mikroplastik ist industriell hergestellt und wird bewusst eingesetzt – als Plastikgranulat in Duschcremes, Peelings oder Reinigungsmitteln. Sekundäres Mikroplastik entsteht durch die Zersetzung größerer Plastikteile, beispielsweise im Meer, durch Witterung und Sonne. Die Unterscheidung sei wichtig, sagen Experten, weil die Verantwortung je nach Quelle eher beim Produzenten oder eher beim Konsumenten liege.
Wo findet man die Teile?
Im arktischen Meereis, in heimischen Gewässern, im Mineralwasser, im Meersalz, in den Mägen von Tieren, in Muscheln und in Ackerböden. „Wir können davon ausgehen, dass sich Mikroplastik bereits in allen Bereichen der Umwelt befindet“, sagt Leandra Hamann, die am Fraunhofer-Institut für Umwelt-, Sicherheits- und Energietechnik in Oberhausen zu Mikroplastik forscht. Inzwischen ist sogar erwiesen: Mikroplastik gelangt auch in den menschlichen Körper. Forscher von der Medizinischen Universität Wien haben die Partikel in Stuhlproben von Studienteilnehmern gefunden. Durch Niederschläge und Abwässer gelangt ein Teil der Mikroplastikteile in die Kanalisation und wird dort zwar weitgehend herausgefiltert – doch mit dem Klärschlamm kommen Partikel auf die Ackerböden. So oder über Meerestiere erreichen sie auch die Nahrungskette der Menschen.
Wie viel Mikroplastik landet in der Umwelt?
Geschätzte 330 000 Tonnen Mikroplastik gelangen in Deutschland jedes Jahr in die Umwelt. Das sind jährlich gut vier Kilogramm pro Person. Mikroplastik macht sogar einen deutlich größeren Anteil an den Kunststoffemissionen aus als die größeren, sichtbaren Plastikmüllteile wie Tüten oder Becher. Das Fraunhofer Institut listet in einer kürzlich veröffentlichten Studie 51 Quellen auf. Auftraggeber waren Chemiekonzerne, Kosmetikhersteller, Wasserverbände, Abfallentsorger und Hochschulen.
Was sind die größten Verursacher?
Der größte Verursacher ist demnach Reifen- und Straßenabrieb: 33 Prozent des Mikroplastiks gelangen hierzulande durch Kraftfahrzeuge und Pkw in die Umwelt, verbreitet durch Regenwasser und Wind. Während ein Viertel der Plastikpartikel aus noch ungeklärten Quellen stammt, sind Abfall- und Industriebetriebe, Bauschutt und auch falsch entsorgter Plastikmüll weitere Hauptquellen. Aber selbst durch Schuhsohlen, über Kunstrasenplätze und durch den Abrieb von Textilienfasern beim Waschen gelangen Plastikteile in die Umgebung.
Wie problematisch ist Mikroplastik in Kosmetika oder Reinigungsmitteln?
Die Kunststoffpartikel werden als Abrieb- oder Schleifmittel in Kosmetikprodukten, in Wasch- oder Reinigungsmitteln eingesetzt. Insgesamt stehen diese Produkte aber nur auf Platz 17 der Liste der größten Mikroplastik-Verursacher. Laut Umweltbundesamt haben viele Hersteller den Einsatz in ihren Produkten bereits verringert.
Welche gesundheitlichen Folgen hat das?
Ob oder inwiefern Mikroplastikteile den Menschen schaden könnten, ist unklar. „Man weiß, dass die Partikel Bakterien und Schadstoffe transportieren können“, sagt Jonas Krumbein von der Stiftung Warentest. Er hat sich in einem Report ebenfalls dem Thema gewidmet. „Es gibt aber keine Gewissheit darüber, ob und welche Mengen solcher Partikel schaden könnten.“ Die Datenlage dazu sei bislang unzureichend. Laborstudien mit Tieren haben gezeigt, dass große Mengen von aufgenommenem Mikroplastik das Immunsystem der Tiere schwächen kann, deren Fruchtbarkeit senkt und die Sterblichkeit erhöht. Das deutsche Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) geht davon aus, dass der überwiegende Teil der aufgenommenen Kunststoffteilchen auch wieder ausgeschieden wird. Krumbein findet: Es könne durchaus Sorge machen, dass es noch keine Klarheit gebe.
Wie vermeidet man Mikroplastik?
„Wer mit Rad oder Bahn statt Auto fährt, vermeidet am meisten Mikroplastik“, sagt Jonas Krumbein von der Stiftung Warentest. Auch defensives Fahren oder die Nutzung von langlebigen Autoreifen seien empfehlenswert. Außerdem sei es wichtig, keinen Plastikabfall zurückzulassen. „Richtig entsorgt kann der Müll recycelt oder im schlimmsten Falle verbrannt werden, aber er gelangt wenigstens zum größten Teil nicht in die Umwelt“, so Krumbein. Auf synthetische Polymere in Kosmetika oder Waschmitteln kann man verzichten. Aufschluss darüber, was wo drinsteckt, geben Apps wie Code Check, eine Auflistung von Kosmetikprodukten des Bunds für Umwelt und Naturschutz (BUND) oder Siegel wie Ecocert oder der Blaue Engel bei Waschmitteln. Naturkosmetika dürfen laut Stiftung Warentest kein Mikroplastik enthalten. Die Forscher vom Fraunhofer-Instituts fordern darüber hinaus eine bessere politische Regulierung des Einsatzes von Kunststoffen, Filtersysteme für Straßenabwässer und verbesserte Abwassersysteme. Und die Industrie könne wiederverwertbare und abriebärmere Kunststoffe entwickeln und einsetzen.