Der Kunstunterricht kommt laut Experten zu kurz. Dabei haben Schüler davon großen Nutzen. Zwei pensionierte Kunstlehrer, die derzeit in Korntal-Münchingen bei der Jahresausstellung des Kunstvereins ihre Werke zeigen, berichten von ihrer Erfahrung.

Korntal-Münchingen - Der Umgang mit Kunst fördert die Kreativität, die Fähigkeit, sich ein eigenes Urteil zu bilden und dieses zu vertreten oder auch die Geschicklichkeit mit den Händen: Geht es nach Yvonne Benz und Horst Peter Schlotter, sollte es an Schulen auch deshalb unbedingt mehr Kunstunterricht geben. Beide sind pensionierte Kunstlehrer und aktive Künstler. Sie gehören dem Kunstverein Korntal-Münchingen an und zeigen in dessen Jahresausstellung „Schwebend“ ihre Werke. Und kaum war die Schau in der Korntaler Stadthalle eröffnet, kündigte eine erste Schulklasse ihren Besuch an.

 

Studienreisen statt Urlaubsreisen

Dass ihre Schüler Ausstellungen besichtigen, war auch Benz und Schlotter immer wichtig. „Sie sollen schließlich auch mal vor einem Original stehen“, sagt Benz. Die 62-Jährige lehrte unter anderem an der Realschule in Stuttgart-Zuffenhausen, inzwischen ist sie die Vizevorsitzende des Kunstvereins. Allerdings, räumt Schlotter ein, seien solche Ausflüge mit der Einführung des achtjährigen Gymnasiums komplizierter geworden: In der Oberstufe sind jetzt nicht mehr alle Schüler volljährig. Daher werde etwa mehr Aufsicht nötig. Schlotter unterrichtete gut 35 Jahre lang am Korntaler Gymnasium. An eines erinnert er sich noch genau: Er war der Kunstlehrer, bei dem Studienreisen nach Rom oder Florenz keine Urlaubsreisen waren – sehr zur Enttäuschung der Schüler. Doch dem 69-Jährigen lag viel daran, dass sie das Gelernte anwenden. „Die Fähigkeit, ästhetisch zu entscheiden, ist fundamental“, sagt Schlotter. Damit meint er: Schüler sollen Maßstäbe entwickeln. Sie sollen dazu fähig sein, Musik, Kunst oder Architektur objektiv auch dann für gut zu befinden, wenn ihnen missfällt, was sie sehen oder hören. Diese Ansicht habe er stets vertreten.

Yvonne Benz und Horst Peter Schlotter sagen, dass ihre Schulleitungen ihre Arbeit als Kunstlehrer immer geschätzt und unterstützt hätten. Was nicht selbstverständlich ist. „Der Kunstunterricht hat einen miesen Stellenwert und wird entwertet“, kritisiert Benz. Viele hielten Naturwissenschaften und Sprachen für bedeutsamer. Also falle eher Kunst statt Mathe aus. „Der Kunstunterricht kommt mit zwei Stunden pro Woche zu kurz“, bemängelt auch Schlotter. Dabei gehöre das Wissen über Kunst zur Allgemeinbildung und Ausbildung der Persönlichkeit. Benz nennt Kunst gar das „wichtigste Fach in der Schule“. Die Förderung der Kreativität sei eine Grundvoraussetzung für das Lernen. „Egal, ob sie das Gelernte später nutzen oder nicht – Schüler setzen sich meist mit großer Freude und Motivation mit Kunst auseinander“, stellt Schlotter fest.

Eltern werfen Kunstwerke ihrer Kinder weg

Viele Eltern machen das aber offenbar zunichte. Yvonne Benz gab ihren Schülern regelmäßig eine Mappe mit ihren Arbeiten mit. „Immer wieder hörte ich, die Eltern würden die Mappe wegwerfen, weil das Kruscht sei.“ Insgesamt regten die wenigsten Mütter und Väter ihre Kinder dazu an, sich mit Kunst zu beschäftigen – weshalb der Unterricht umso nötiger sei. „Ihnen ist wichtiger, dass die Kinder daheim keine Sauerei mit Farben veranstalten“, sagt Benz. Dabei sollten Eltern dem Nachwuchs von klein auf alle Materialien anbieten. „Und die Kinder bloß nicht belehren“, rät Benz. Das vermittle ihnen, dass sie unfähig seien. Schlotter sagt: „Wenn Eltern ihre Kinder zuhause keine Erfahrungen sammeln lassen wollen, sollten sie wenigstens nicht die Lehrer einschränken.“ Er habe oft Eltern erlebt, die sich an den mit Farbe beschmierten Kleidern oder Händen störten.

Die Jahresausstellung „Schwebend“ des Kunstvereins Korntal-Münchingen ist bis Sonntag, 11. November 2018, in der Stadthalle Korntal zu sehen. Geöffnet ist sie Donnerstag und Freitag von 17 bis 20 Uhr, am Samstag und Sonntag von 11 bis 18 Uhr. Der Eintritt ist frei.